Donnerstag, 23. Dezember 2010

Maja und die, die aus den Sternen kam

Hallo liebe Freunde,

ich möchte Euch heute einmal Maja vorstellen. Maja ist die Mutter meiner beiden geliebten Töchter. Es ist ungewöhnlich, 2 Kinder von der gleichen Frau zu haben, aber ich habe mit Maja eine starke geistige Verbindung, die – wie soll ich es sagen – na ja, wir lieben uns. Ich weiß, dass das heute noch immer ein verpöntes Thema ist. Und bitte denkt nichts Schlimmes von mir, ich verspreche Euch, dass wir nicht daran denken, uns den Verrückten anzuschließen, die sich ganz offiziell heiraten.
Aber ich muss gestehen, dass wir miteinander leben. Bevor ihr jetzt aufschreit, möchte ich Euch aber noch von Maja und mir erzählen. Dann werdet ihr mich vielleicht verstehen.

Wir haben uns bei einer Vernissage kennen gelernt. Der Künstler machte eigenartige Skulpturen mit biodynamischen Metallgittern und spielte dazu telepathische Sonaten mit einer Taresaphie. Die Biogitter sollten den Empfang in der Zwirbeldrüse stimulieren und ein außergewöhnliches Erleben komplexer mentaler Strukturen auslösen. In seiner Ankündigung verglich er das Empfinden mit Drogen „wie in den Hippijahren“ und dann war da noch so ein Plakat mit Porträt von ihm, ganz verdrehte Augen und irgendwie verspielt. Naja, ich dachte, es wäre mal was anderes, aber es klappte jedenfalls garnichts. Und so langweilte sich das Publikum und suchte sich andere Beschäftigungen, um die nun mal besuchte Veranstaltung nicht ganz abschreiben zu müssen. Die meisten vertieften sich in sinnlose Gespräche.

Irgendsoein aufgeblasener Menschenberg, der mit seinem Sendungsbewusstsein den ganzen Raum ausfüllte, langweilte mich mit seinen selbstverliebten Geschichten und wie toll er sei und überhaupt. Dann sah ich sie. Sie lehnte an einer Fensterbank. Keinem war sie aufgefallen, verlorene Augen, unsichere Händchen. Und mit ihrer sanften Stimme konnte sie ohnehin nichts gegen die Dampfredner ausrichten.

Doch sie fängt mich ein mit ihrem wachen Geist. Ich lasse den lästigen Gestenprotz, der mich nun schon viel zu lange aufgehalten hat einfach stehen, denn in ihren Augen leuchtet der Glanz eines hellen Sterns. Und dann wird es still um uns. Es geht ganz schnell. Die Zeit verzerrt sich, das derbe Lachen um uns entfernt sich. Die Bewegungen der anderen werden langsamer und steifer, wir sehen uns schulterzuckend an, ich berühre lächelnd ihre Haarspitzen und als sie den Kopf zur Seite legt, berühren sich unsere Lippen zum ersten Mal. Und als ich später im Dunkel der Nacht den Glanz der Sterne in ihren Augen bestaune, frage ich sie, ob sie es ist. Ich tue es nicht mit Worten. Unsere Seelen umkreisen sich, berühren sich. Wir lieben uns ein zweites Mal. Und jedes Mal liebe ich die ganze Welt mit ihr.
Doch sie ist es nicht. Oder doch? Nein. Sie ist es nicht.

Wen ich damit meine?
Und warum ich das alles überhaupt erzähle?
Mir ist heute danach. Ganz einfach. Und ich tue immer nur das, was ich mag.
Und heute mag ich von IHR erzählen, ohne zu wissen, wer sie ist und warum sie Schuld hat, dass ich heute Maja liebe.

Unter uns sind Menschen mit ungeheurer mentaler Kraft. Seelen, die einen berühren und dann nie wieder loslassen.
Ich begegnete IHR im zarten Jugendalter. Da saß sie neben mir in einem alten Kino. Damals gab es mal so eine Nostalgiewelle, wo auf einmal wieder alte Filme so wie früher gezeigt wurden. Die Stühle rochen nach feuchtem Karton, das Bild war verwaschen und warm. Und neben mir das Mädchen, zerbrechlich, verschüchtert um sich blickend, ausweichend, wenn sie angesprochen wurde und hinter den großen Augen, die sie nur mir zeigte, ein gewaltiges „Dich!“.
Ich weiß nicht, woher sie kam, ich weiß es bis heute nicht. Sie war einfach da. Und obwohl wir uns die folgenden Stunden nicht ein einziges Mal körperlich berührten, kam ich mir beim Abspann des Filmes vor, als hätten sich unsere Verlangen umarmt. Ich habe sie gespürt, habe sie berührt, habe mit ihr getanzt, mich an ihr heiß gerieben, sie getragen und mich selbst tragen lassen von ihr. Noch heute habe ich das süße Parfüm in der Nase, vermischt mit diesem hellen, herben Duft ihrer Haut, so wie ein Mädchen ihn nur im kalten Winter hat. Und als der Film zu Ende ging, da sagten wir uns stumm Lebewohl.
Das Licht ging an, sie sah mich an. Ihre Lippen waren brüchig. Nicht vergleichbar mit dem Sonnenmund, mit dem sie mich eben geliebt hatte im Traum. Und als wir uns berührten, ein einziges Mal, mit kalten Fingern, da war es wie nebenbei.

Was wäre geschehen, wenn ich damals nicht auf dieses ganze Gerede zur Eheacht gehört hätte? Bis heute begleitet mich diese Last. Für Jahre lachte ich mit IHR im Traum, berührte ihren jungen Körper, liebte sie wieder und wieder, wischte ihre Tränen ab, beschütze sie, trug sie auf Armen durch das Leben. Wenn ich sie liebte, dann kamen mir Tränen.
Doch ich sah sie nur dieses eine einzige Mal im Kino. Bis heute frage ich mich, was sie von mir wollte an diesem winzigen Tag meines Lebens. Bis heute frage ich mich, warum ich sie gehen ließ.

Dabei weiß ich es längst: Es war Angst. Ich war damals wie die meisten noch ein gedankenloser Mitschwimmer. Immer bedacht, nichts zu tun, was einem Missbilligung einbringen könnte.
Ich habe viele Frauen geliebt. So wie es sich gehört. Und viele haben mich geliebt. Naja, ganz normal eben. Und diese alten Geschichten, die ganzen Diskussionen und Demonstrationen, die Märtyrer, die hängen da irgendwie immer mit dazwischen. Vor zwanzig Jahren war es aber noch verschärfter. Es war die Zeit, in der die Eheacht ja ihren Höhepunkt hatte. Wenn du länger als ein halbes Jahr nur mit einer Frau gesehen wurdest, begann schon das Getuschel. Ist mir ja auch nicht passiert. Man verliebt sich, schläft miteinander, verbringt einige Zeit zusammen und dann kühlt es ab und man verliebt sich weiter. Es sei denn, sie bekommt ein Kind, dann darf man ein Jahr bei ihr bleiben und dann ist gut. So machen es die meisten seit vielen Jahren. Und es klappt ja auch, weil es der menschlichen Natur angeblich am nähsten kommt. Aber verdammt noch mal, dieser Duft von Winterhaut unter süßem Parfum. Und diese geistige Wärme. Sie ging mir nicht aus dem Kopf. Ich wusste, wenn ich SIE geliebt hätte, dann wäre ich nicht mehr von ihr losgekommen, dann wäre es für immer gewesen. Und davor hatte ich Angst. Deshalb ließ ich sie gehen.

Ich erinnere mich, dass ich eines Nachts in klirrender Kälte unter dem Himmel stand und in einem heiligen Ritual meine brennende Sehnsucht und mit ihm das Schicksal der ganzen Welt auf die Sterne übertrug. Ich war keine sechzehn, doch ich machte mich zum sich erhebenden Recken, zum Kämpfer für die Welt, zum Krieger der Liebe mit gespanntem Bogen, meine Macht aus seelenwundem Herz schöpfend und die grausamen Mächte zertrümmernd. Ich machte mich zu Orion und bewahrte dieses heilige und intime Geheimnis stets in meiner Seele. In der Ferne funkelt meine Begleiterin. Ich schenkte ihr Sirius, den hellsten aller Sterne am Himmel. Und wenn ich als Orion herüberblicke zu ihr, da sieht sie zu mir auf mit dem erwartenden Blick wie damals im Kino. Mit diesen riesigen Augen, diesem weit geöffneten Herz, das zu mir ruft: „Komm! Komm in meine Arme. Ich warte auf Dich!“
Wie einsam die Sterne sein können. Wie unendlich einsam. Wie unendlich leer. Wie traurig.

Sie sind unter uns, diese besonderen Seelen. Und wer berührt wurde, der trägt diese Berührung manchmal ein Leben lang in sich. Dann bleiben sie bei uns wie kleine Bildchen in einem Album, das man von Zeit zu Zeit durchblättert mit seinen Lieben. Manchmal bleibt auch ein Hauch zurück, wie ein Nachsinnen auf der Haut, wie eine entflammende Erinnerung, die jede folgende im Leben zu einem Fanal aufzufachen vermag. Manchmal aber auch wird die Berührung zu einer ewigen Narbe auf dem Herzen. Zu einem Artefakt, zu einem Amulett, das an meinem Hals hängt und die Erinnerung in mir lebt, dass gleich allem, was um uns ist, ganz tief auf dem Grund der Welt, dort wo nur ein schwaches Gefühl in die Wirklichkeit weht wie das Hintergrundstrahlen des Weltalls, dass ich dort in der Ferne mit ihr vereint bin.

Ob es Maja belastet, dass ich sie liebe, weil ich durch sie all meinen inneren Frust gegen die heutigen Konventionen von Bord werfen konnte? Weil ich mich durch sie gegen das schwachköpfige Gezeter wegen unserer angeblichen „Ehe“ auflehne? Weil ich die Nase voll habe, immer nur einem Traum hinterherzulaufen, anstatt ihn zu leben? Nein. Das tut es nicht. Denn ich habe Maja in unserer ersten Nacht alles davon erzählt. Vom Kino, von Sirius und Orion, vom herbem Duft und süßem Parfum. Und ich habe ihr erzählt, wie kaputt es mich macht und wie traurig im Inneren. Und wie schwer es ist, nicht lieben zu dürfen, weil die Gesellschaft es nicht akzeptiert. Sie war der erste Mensch, dem ich mein Geheimnis anvertraute. Und ich liebe Maja nicht, weil sie mich an SIE erinnert, sondern weil Maja in dieser Nacht nichts gesagt hat dazu. Nicht mit Worten hat sie mir geantwortet, sondern mit ihrer Seele. Maja weiß, dass sie meine Sehnsucht niemals tilgen kann. Aber sie weiß auch, dass diese Sehnsucht es ist, die mich zu dem macht, was ich bin.
Und so trage ich noch immer IHR Amulett um meinen Hals, denn SIE gehört zu mir. Ohne SIE wäre  ich ein anderer. Und Maja und unsere Kinder trage ich auf Händen durchs Leben. Und es ist mir ganz egal, wenn jemand die Nase rümpft.

Ja. Das war heute ein tiefer Einblick in meine Seele. Wie gesagt, ich wollte es so. Bis zum nächsten Mal. Ich wünsche Euch schöne Tage.

Euer Marsili

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