Mittwoch, 9. Februar 2011

Das Mahnmal für die Verbrechen des Speziesismus

Ich möchte heute an ein besonders schmerzhaftes Kapitel der Menschheit erinnern. Ich habe gestern das Mahnmal für die Verbrechen des Speziesismus am Kölner Domfeld besucht und reihte mich dort unauffällig in eine von der populären Stadtführerin Else Vera Söring geführte Touristengruppe ein. Ich kenne ihren Vortrag auswendig, aber ich sehe mir einfach gern die Gesichter der Zuhörer an. Wenn man Menschen beobachtet, die sich mit diesem dunklen Thema beschäftigen, dann sieht man immer in bedrückte Gesichter. Viele haben Tränen in den Augen, stille Tränen. Kaum jemand verliert ein Wort. Die Einkehr der Menschen am Denkmal ist bemerkenswert. Aber ich kann es gut verstehen, denn man steht hier nicht vor irgendeiner Skulptur, sondern vor einem Mahnmal der Demut. Selbst heute im Jahr 2200 verlieren die Schrecken nicht an Wirkung.

Im angeschlossenen Museum erfährt man von der Geschichte des Speziesismus, die meist unterteilt wird als Rassismus innerhalb der menschlichen Rasse und zum anderen in den Verrat an artfremden Lebewesen. Ich beschäftige mich heute mit letzterem und lade Euch ein zu einem Rundgang im Museum für die Verbrechen des Speziesismus.

Ich zitiere zunächst einmal aus der Broschüre des Museums:

Der Begriff Speziesismus beschreibt die Weltanschauung, die das menschliche Wertesystem in das Zentrum des allgemeinen Wertesystems stellt, alle anderen Lebensformen diskriminiert und damit zu einer Verschiebung des ökologischen Gleichgewichts führt. Die Eskalation der aus dieser Weltanschauung resultierenden schweren Verbrechen gegen Tier- und Pflanzenwelt ab dem 20. Jahrhundert wird heute allgemein als Ursache für die Entwicklungen gesehen, die zum Zusammenbruch der menschlichen Gesellschaft vor Big Zero im Jahre 2052 führten.

Dieser Text liest sich nüchtern. Wenn man sich aber im Museum die Exponate ansieht, die Bilder und Videos, dann versteht man, warum heute kein Ereignis der Weltgeschichte dunkler bewertet wird als die Zeit, in der die Industrialisierung den schon immer vorhandenen Speziesismus der Menschen zu einem Monster der Grausamkeit wuchern ließ.

Ganz am Anfang des Rundganges erfährt man zunächst etwas über die empathische Depression. Wenn man sich mit der Vergangenheit noch nicht befasst hat, rätselt man zunächst über den Zusammenhang mit diesem Thema. Die meisten Menschen verlassen später die Ausstellung jedoch aufgelöst und mit Tränen in den Augen. Sie haben begriffen, welchem Wahnsinn diese Krankheit geschuldet ist, die nach der Jahrtausendwende um sich griff.

Die empathische Depression

Die empathische Depression wurde erstmals im Jahr 2014 in Deutschland als psychische Erkrankung anerkannt und befiel ausschließlich Menschen, die empathische Sinne für die Umwelt entwickelten. Durch Ablehnung der durch Medien, Politik und Industrie geschönten Berichterstattung und Information in engagierten Medien erlangten sie Wissen über die wahren Hintergründe des menschlichen Wohlstandes. Viele Menschen erkannten die wahren Ausmaße der Verbrechen gegen Tiere und Natur, waren in ihrer Erkenntnis jedoch oft hilflos einer Gesellschaft ausgesetzt, die diese Tatsachen aggressiv ignorierte. Dem Konflikt, gegen die von Medien beeinflusste Mehrheitsmeinung zu diskutieren, gepaart mit dem Wissen um die realen Grausamkeiten, hielten viele Menschen nicht stand. Viele Menschen wurden aufgrund ihres unbequemen Wissens vom persönlichen Umfeld ausgegrenzt, selbst innerhalb von Familien. Der Hinweis auf das Leid der Tiere wurde oft ins Lächerliche gezogen. Der Kampf um den Erhalt alter Bäume wurde kriminalisiert.
Im Kampf um die Erhaltung der Natur gegen eine aus dem moralischen Lot geratenen Gesellschaft gaben viele Menschen auf und glitten in eine Depression.

Es waren Menschen, die die Verbrechen erkannten, Menschen, die die Zerstörung sahen. Menschen, die auf einmal begriffen, welchen Schaden die Gesellschaft anrichtete. Und die für ihr Wissen von denen mit Missachtung oder Spott überschüttet wurden, die das marode System als erhaltungswürdig befanden. Und das war damals noch die Mehrheitsmeinung, krampfhaft verteidigt  von der Politik.

In der Ausstellung folgen nun beeindruckende Beispiele, beide aus dem Jahr 2011:

Zunächst wird von einem Eigentümer eines Waldes berichtet, der die moralische Verwerflichkeit der Jagd erkannt hatte, in seinem eigenen Wald das Jagen verbieten lassen wollte und dafür vor Gericht zog. Er unterlag in allen Distanzen. Nach geltendem Recht musste jeder Besitzer eines Waldstückes die Jagd darin gestatten. Das Urteil wurde vom damaligen Agrarminister begrüßt, sein Statement zum Urteil gegen den Menschen, der die Tiere in seinem Wald schützen wollte, liest sich wie ein Dokument des Schreckens: "Das Urteil stärkt dem bewährten Revierjagdsystem den Rücken. Eine flächendeckende Wildtierbewirtschaftung, die nicht an zufälligen Grundstücksgrenzen Halt macht, ist eine wichtige Voraussetzung für eine zeitgemäße Jagdausübung."
Der Staat avancierte zum Anstifter für Vergehen gegen die Natur.

In der Ausstellung betritt man nun einen weiten, stimmungsvollen Raum. Es knistert und raschelt, man riecht feuchte Erde. Man steht in Ellis Auenwald. Vögel zwitschern, da hinten vermeint man einen Specht zu hören. Efeu rankt über den Köpfen. Ein paar Schritte sind einem nur gegönnt. Ein großer alter Baum scheint aus dem Boden zu wachsen, unwillkürlich hebt man den Kopf und blickt in die verwachsene Baumkrone. Es ist ein Ort des Friedens.

Dann dimmt das Licht herab. Die Projektion der Baumkronen verblasst, eine aufgeregte Stimme trägt tränenerstickte Worte vor. Die Worte stammen von einer geheimnisvollen Frau namens Elli. Es sind Worte, die sie am 9. Februar 2011 ins weltweite Netz klagte:

„Mir ist zum Heulen. Sie haben meine wunderschöne alte mächtige Zauberesche umgesägt. Sie war noch so gesund und stabil und Heim von vielen Vogelnestern. Die roden hier wie die Geisteskranken den Wald rund um mein Haus. Alles weg, der ganze Auenwald. Der Lärm macht mich irre und alle paar Minuten wackelt das Haus, weil ein Baum fällt. Ich hoffe, dass alles bald zusammenbricht, alles, die ganze Welt. Ich ertrage es nicht mehr.“

Wir wissen heute nichtmehr, wo genau dieser verwunschene Wald stand, der zu Beginn des Jahres 2011 zerstört wurde. Nur die Bilder der Elli von diesem wunderbaren Ort des Friedens und des Lebens sind erhalten geblieben. Ein Ort, der der genormten Plastik- und Betonwelt der Menschen weichen musste.



Dann wird es still. Totenstill. Das Licht geht ganz aus und man wird gezwungen, innezuhalten. Dann leuchtet auf einmal dunkelgrün ein Quadrat am Boden auf. Es wird heller und heller, gleißend hell. So hell, daß es zu schmerzen beginnt. Dann wird es heiß, man hat das Gefühl, daß das Licht den eigenen Körper durchscheint

Dann erlischt es schlagartig. Schwarz. In den Augen hallt das Licht nach. Und dann wird einem ein erstaunlicher Effekt bewusst. Obwohl alles um einen schwarz ist, hat man das Gefühl, immer noch in diesem grünen Quadrat zu stehen. Es ist eine Projektion des eigenen Geistes.
Nach einigen Sekunden ertönt eine sonore Männerstimme:

Vier Quadratmeter.
Vier Quadratmeter voller Leben und Vielfalt.

In Filmen sind Beschützer des Waldes Helden.
Ausschließlich.
In Büchern wird die Idylle des Waldes besungen.
Und immer nicken die Leser.

Das war immer so. Nicht nur heute wird der Wald geehrt. Er wurde immer geehrt.
Doch bis vor Big Zero 2052 wurde das Abholzen der Wälder kritiklos hingenommen. Akzeptiert von Menschen, die ihren Kindern Bücher über Waldgeister und alte, weise Bäume vorlasen und in Filmen Menschen hassten, die Bäumen etwas antun.

Vier Quadratmeter.

Noch bis ins Jahr 2020 wurden Rinder mit einem Nahrungsmittel gefüttert, das aus Soja gewonnen wurde. Sojabohnen wurden in Ländern angebaut, die damals als „Dritte Welt“ bezeichnet wurden und deren Reichtum an Wäldern berühmt war.

Die Flächen für den Anbau mussten dem tropischen Wald abgerungen werden. Da die Böden nach wenigen Jahren Sojaanpflanzung ihre Fruchtbarkeit verloren, musste immer mehr Regenwald weichen.

Forscher rechneten um, wie viel Fläche Wald für eine einzige Fastfoodmahlzeit aus Fleisch weichen musste. Die Zahl war bereits vor der Jahrtausendwende bekannt.

Es waren vier Quadratmeter.
Vier Quadratmeter voller Ödnis und Traurigkeit.
Unwiederbringlich zerstört.
Für einen Hamburger.



Mir fehlen an dieser Stelle die Worte. Ich habe keine mehr. Mein Verstand ist leergefegt. Ich gehe weiter.

Tierproduktion

Die Einstellung, daß manche Pflanzen- und Tierarten ausschließlich der menschlichen Ernährung dienten und die damit einhergehende gänzliche Entrechtung dieser Lebewesen befeuerte ab Mitte des 20. Jahrhunderts eine explosionsartig wachsende und immer profitable werdende Industrie, die ihre Gewinne mit Tierprodukten erwirtschaftete. Damit einhergehend erfolgte ein immenser Qualitätsverlust, die Senkung des Anspruchs auf Nahrungsmittel, was einen gewaltigen Markt für minderwertige Fertigprodukte und immer billiger produzierte Lebensmittel schuf. Die Wertschätzung der Opfertiere, die für den menschlichen Wohlstand ihr Leben geben mussten, fiel ins Bodenlose. Man benutzte für diese empfindungsfähigen Wesen offiziell den entsetzlichen Begriff „Nutztiere“.

Der in die Irre führende Begriff „Fastfood“ suggerierte eine Verkürzung der Zeiten für die Nahrungsaufnahme, wurde später aber vor allem zum Begriff für die Verkürzung der menschlichen Lebenszeit. Als nach der Jahrtausendwende immer mehr Menschen klar wurde, daß sie mit billig produzierter Nahrung Körper und Hirn zerstörten, war es für viele bereits zu spät. Denn Krankheiten wie Demenz und Multiple Sklerose machen sich erst Jahrzehnte später bemerkbar. Demenz wurde bald zur weltweiten Epidemie erklärt.
(Anmerkung: dieses Thema habe ich schon einmal hier aufgegriffen)

Man hat den größten Komplex der Ausstellung erreicht, wenn man diese Worte hört. Es geht um die Gewinnung von Nahrungsmitteln aus Tieren.

Dann hält man inne vor einer projizierten Kuh. Sie wirkt lebendig. Ruhig mampfend stapft sie über eine Wiese. Man riecht die Blumen.

Dann eine sanfte Frauenstimme:

In der Geschichte der Menschheit spielte der Konsum von Tieren bis um das Jahr 2050 eine wichtige Rolle. In der Vorgeschichte diente Tiernahrung möglicherweise als Lieferant für wichtige ungesättigte Fettsäuren dem Wachstum der menschlichen Gehirne und damit der Entwicklung der menschlichen Intelligenz. Der Mensch wäre ohne die Unterstützung der Tiere vielleicht nicht zur herrschenden Spezies geworden. Wie bedeutend die Rolle der tierischen Nahrung dabei wirklich war, wird jedoch nie mehr zu rekonstruieren sein.

Unumstritten ist jedoch, daß über Jahrtausende die Tiere unsere Begleiter waren. Durch das Zusammenleben mit den Tieren in Dörfern lernte der Mensch Respekt vor ihnen und vermied es, Tieren unnötigen Schaden zuzufügen.

Auf einmal wird es düster. Der Raum schrumpft zusammen, die Kuh blickt verstört auf, ein Stall. Beton. Überall Beton. Die Tonlage der Frauenstimme senkt sich:

Dann folgte der Verrat an unseren Begleitern. Das Verhältnis zu den Tieren verwandelte sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts mit der Zentralisierung der Landwirtschaft, mit der Haltung der Tiere in riesigen Ställen. Die Konsumenten verloren den Kontakt zu ihren Mitgeschöpfen. Diese Trennung wurde von Politik und Industrien gezielt gefördert. Die Entwicklung grausamer Techniken zur Tierproduktion führte zu einer immer höheren Effektivität. Um die Akzeptanz dieser Techniken durch die Bevölkerung nicht zu gefährden, schuf man eine Scheinwelt, die kaum noch etwas mit der versteckten Realität zu tun hatte. Diese Scheinwelt -propagiert in Fernsehen, Kochshows, Zeitungen und Büchern, sollte den Verbrauchern versichern, daß die Tiere artgerecht gehalten würden und die tägliche Aufnahme von Tierprodukten selbstverständlich zum menschlichen Leben gehört. Ende des letzten Jahrtausends glaubte der Großteil der Menschen, daß a) Tiere keine Leiden empfinden können; b) Tiere für den Nahrungskonsum da seien; und c) der Mensch ohne Tierkonsum nicht existieren könne. Es ist für uns heute unvorstellbar, wie die Menschen innerhalb von Jahren ihr in Jahrhunderten erfahrenes Wissen über Ernährung und Tiere komplett verlieren konnten. Der bewusst erschaffene Irrtum wurde zur allgemein akzeptierten Mehrheitsmeinung und konnte so die immer schnellere Produktionssteigerung der Fleischindustrie vor dem Liebesentzug durch den Verbraucher bewahren. Die Tragödie nahm ihren Lauf.

Ein Beispiel folgt. Man sieht Küken. Eng zusammengedrängt. Sie sind süß, doch dann stockt einem der Atem. Die Küken fallen auf ein Förderband. Dann Hände. Hände von Frauen. Sie heben die Küken an und werfen einen Teil von ihnen in einen Trichter. Was man sieht, ist zutiefst verstörend. Denn die ausgelesenen süßen Küken werden getötet. Die Frauenstimme fährt fort:

Zur Produktion von Eiern wurden spezielle Hühner gezüchtet. Da diese nur auf das Eierlegen spezialisiert waren, wurden alle männlichen Küken nach dem Schlüpfen aussortiert, vergast und zerschreddert. Sie wurden für die Fleischproduktion nicht verwendet, weil es dafür andere Zuchtrassen gab, die schneller wuchsen und somit höheren Gewinn abwarfen.




Wenn man richtig hartgesotten ist und einen die vorangegangenen Räume nicht erweichen konnten, dann geschieht dies spätestens jetzt. Es gibt keine Worte, um die Abscheu vor diesen entsetzlichen Verbrechen zu beschreiben, die noch bis ins Jahr 2020 praktiziert wurden.


Was sagten die Menschen der damaligen Zeit dazu? Eier aus Massentierhaltung wurden von den meisten Verbrauchern kritiklos akzeptiert. Hätten sie auch nur ein einziges Küken selbst getötet? Langsam kann man sich in die Menschen versetzen, die damals verzweifelt auf die Verbrechen aufmerksam machten, nicht ernst genommen wurden und dann in die empathische Depression verfielen.

Dann leuchtet über den fassungslos machenden Bildern einer riesigen Schlachterei ein Satz auf und bleibt Minutenlang stehen:

Wenn man alle Fähigkeiten und Emotionen eines Lebewesens zu bewerten versucht, wird am Ende verbleiben: die Fähigkeit, Freude zu empfinden und die Intensität, Leiden zu spüren.



Liebe Freunde, dieser Rundgang fällt schwer. Es gibt heute viele Quellen, in denen man sich über die grausamen Auswirkungen des Speziesismus informieren kann. Ich will Euch aber eine Quelle nennen, die aus der Zeit um die Jahrtausendwende stammt. Seht Euch diesen Film einmal an, wenn ihr Zeit habt. Und stark seid.

 
Wenn man die Ausstellung verlässt, ist das wie ein Erwachen aus einem bösen Traum. Man tritt in die frische Luft, atmet tief ein und ist froh, nicht in dieser schrecklichen Zeit gelebt und Anteil an diesem Verbrechen gehabt zu haben. Wäre man selbst aufgestanden, wenn man Mensch dieser Zeit gewesen wäre? „Natürlich!“ höre ich auf diese Frage immer. „Undenkbar, daß ich da mitgemacht hätte!“

Doch wie war es wirklich? Konnten die Menschen sich dem System einfach entziehen? Das Denkmal für die Verbrechen des Spezizismus drückt neben der Scham für unsere Vorfahren auch die Hilflosigkeit aus, die Menschen von damals zu verstehen.

Deshalb kehre ich gedanklich nocheinmal zurück in den letzten Raum der Ausstellung. Dort erfährt man:

Zu Beginn des 20.Jahrtausends wurden die Debatten um das Nahrungssystem immer offener und schmerzhafter geführt. Immer mehr Informationen waren verfügbar, die das bevorstehende Versagen und die Grausamkeit des gesellschaftlich gewachsenen Systems offenbarten.

Eine heftige Diskussion entbrannte um die Rolle der Konsumenten. Waren sie Opfer eines deformierten gesellschaftlichen Systems, weil sie in ihm aufwuchsen und die Grausamkeiten nicht mehr wahrnehmen konnten oder waren sie Mittäter, weil sie diese durch ihren unbedachten Konsum trugen? Waren die immensen Versehrungen an Körper und Gehirn Resultat der gewissenlosen Nahrungsmittelindustrie oder waren diese selbst verschuldet? Konnten die Menschen die Verbrechen gegen Umwelt und Tiere nicht sehen, weil diese von Industrie, Politik und angeschlossenen Medien mit aller Macht geschönt wurden?
Oder wollten sie diese nicht sehen, obwohl sie wussten, daß durch Internet und Bücher ausreichend Informationsmaterial zur Verfügung stand? Waren sie zu bequem? Hielt sich die Abwehr gegen Verzicht auf Tierprodukte deshalb so lange als Mehrheitsmeinung?

Bis heute gibt die Teilnahmslosigkeit des größten Teils der damaligen Bevölkerung große Rätsel auf.

Konflikt zwischen Idealismus und Pragmatismus

„Wir müssen Verständnis haben!“ ruft der Pragmatiker.
„Es ist ein Prozess, der ohne Krieg geführt wird, der Umdenkprozess muss sich von unten durch ein ungeheuer mächtiges System kämpfen, das die Hirne der Menschen versklavt hat und diese gewissenlos ausbeutet. In einem Krieg kann man den Gegner mit physischer Gewalt niederringen, mit Waffen und Bomben. Wir jedoch haben nur Bilder und Worte. Wir kämpfen zwar für die Moral, aber gegen Gesetze. Wir können die Menschen aus dem parasitären Apparat nur herauslösen, wenn wir die Drähte in ihren Gehirnen veröden. Wenn wir die Krakenarme der Industrie in den Köpfen der Menschen nach und nach austrocknen.“

„Die Menschen sind erbärmlich! Sie müssen büßen! Und die Tierquälerei muss sofort gestoppt werden“ ruft der Idealist.
"Die Menschen jammern über einen Schnupfen und beklagen sich lauthals über zu teures Benzin oder sogar das schlechte Wetter, während nebenan in abgeschotteten Fabriken des Grauens empfindsamen Mitgeschöpfen nach Monaten der qualvollen Turbozucht Bolzen in den Kopf geschossen und mit automatischen Messern die Halsschlagadern zertrennt werden. Millionenfach!“

Der Konflikt zwischen Idealisten und Pragmatikern innerhalb der Tierrechtsbewegung forderte viele Opfer. Die Idealisten konnten die Schmerzen nicht ertragen, forderten einen sofortigen Stop der Tierproduktion, was in diesem System leider eine Utopie bleiben musste. Die Pragmatiker forderten Zurückhaltung und verwiesen auf die Argumentation und unermüdliche Überzeugungsarbeit bei den Verbrauchern, um zum Ziel zu kommen.

Die Gegner der Tierrechtsbewegung nutzten diese inneren Zwiste schamlos aus, indem sie Tierrechtler für Nichtigkeiten anprangerten, der Lächerlichkeit preisgaben und sogar kriminalisierten. Viele engagierte Menschen verloren die Lebensgrundlage und zogen sich entnervt zurück. Erst mit der Einigung der verschiedenen Bewegungen u.a. Vegetarismus, Veganismus, Tierschutz, einhergehend mit schmerzhaften Zugeständnissen, wurde durch die Beendigung der inneren Reibereien den Gegnern der Boden entzogen.

Wie es weitergeht, haben wir alle in der Schule gelernt. Eine erstarkte und in der westlichen Welt vereinte Tierrechtsbewegung erlangte mit einem Mal die Macht, Medien und Politik zu beeinflussen. Im Jahr 2012 konnte Mark Zuckerberg* durch eine weltumspannende Kampagne überzeugt werden, einen Teil seines Vermögens für wirksame Gegenwerbung zu nutzen, mit der schließlich die mediale Macht der Fleischindustrie gebrochen wurde. Die Lawine des Umdenkens nahm an Fahrt auf und war nicht mehr aufzuhalten. Schließlich reagierte auch die Politik, unter anderem durch Einführung einer Kennzeichnungspflicht für tierquälerische und umweltschädigende Produkte sowie Produkte, für die Tierversuche durchgeführt wurden. Das Erwachen war schmerzhaft. Es war ein Erwachen aus einer Plastikwelt. Es war der Anfang vom Ende der milliardenfachen Tierqualen.
* ... durch Gründung einer Internetplattform namens facebook wurde er zum Milliardär

Mark Zuckerberg ist heute kaum noch bekannt für seine facebook-Gründung. Wie ihr wisst, ist er zu einem Helden der Geschichte geworden. Im Jahr 2029 wurde ihm für seine Verdienste für den Wandel des menschlichen Bewusstseins, das bald zum weltweiten Verbot der Massentierhaltung führte, der Friedensnobelpreis verliehen.

Wie wir alle wissen, wuchs zu dieser Zeit aber schon heran, was den Menschen Jahre später zum Verhängnis wurde. Doch das ist ein anderes Thema.

..........

Das Denkmal für die Verbrechen des Speziesismus besteht aus konservierten Tierresten, die neben einer ehemaligen Schlachterei in Köln ausgegraben wurden. Klauen, Borsten, Hörner, Schnäbel und Knochen. Unmengen an achtlos weggeworfenen Knochen.

Ein Denkmal des Schreckens und der Mahnung, daß sich der Mensch nie wieder über die Natur erheben darf. 

Gegenüber des düsteren Denkmals steht ein Denkmal für das Leben. Es ist ein Denkmal für Ellis Zauberbaum. Man muss nicht einmal nahe herangehen, um Ellis berühmte Worte in der weiten Krone schimmern zu sehen. Elli schrieb sie einen Tag nach dem schmerzhaften Verlust ihrer Esche. Es sind Worte der Hoffnung, aber auch Worte der Mahnung, nicht den Glauben an sich zu verlieren und seinem Herz zu folgen. Es sind Worte, die heute jedes Kind kennt, weil sie in die Geschichte eingingen: Zauberbäume gibt es überall da, wo Bäume nicht gefällt, sondern von Menschen geliebt und bewundert werden.

16 Kommentare:

  1. Nathalie Vera Friedrich10. Februar 2011 um 08:41

    Ein grandioser Blog, Marsili!

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  2. super! und ausserdem ein kleiner punkt, der mensch hat auch in der vorzeit nur ganz wenig fleisch gegessen und das gehirn hat sich nicht durch fleischkonsum so "gut" entwickelt, sondern durch die stärke in den lebensmitteln.selbst dieses alte pro fleisch- argument ist also auch noch nichtig.nach wissenschaftlichen erkenntnissen wäre die bezeichnung sammler und jäger korrekt!( 80-90 % Pflanzen, wenn die nicht zur verfügung waren, musste homo sapiens jagen)nach kultivierng des süßgrases( getreides) konnte die entwicklung stattfinden (im schatten der kornkammern.)
    total brilliant dein text-liebe grüsse

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  3. ich habe den an manchen Stellen überarbeiteten Beitrag um 9.10 Uhr nochmal neu online gestellt. Auch die geschichtliche Rolle der Tiernahrung habe ich meinem aktuellen Erkenntnisstand angepasst: daß es sich vermutlich nicht rekonstruieren lassen wird. Danke für den Hinweis.

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  4. susanne: nach aktuellem Stand der Forschung hat sich das menschliche Gehirn v.a. wegen der Omega-Säuren in die Grösse entwickelt. Dafür wär dann entweder Fisch zuständig, was zu den menschlichen Siedlungen entlang von Gewässern passen würde. Oder - noch viel wahrscheinlicher - diverse Pflanzen, die ja reichlich Omegasäuren enthalten. Am meisten hat - soviel ich weiss - Linum usitatissimum aka Gemeiner Lein (Leinsamen, Leinöl).
    Ich empfehle auch allen Menschen anstatt Fisch und damit v.a. Plastik und Quecksilber zu essen, stattdessen auf Leinöl umzusteigen.

    Tausend Dank für deinen - wie immer - genialen Artikel lieber Marsili.

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  5. Gute Nachrichten:

    Ich habe heute den Förster gesucht und konnte ihn davon überzeugen, dass er mit der Rodung um mein Haus herum aufhört. Für die Zauberesche ist es leider schon zu spät. Aber die anderen Bäume sind so gerettet. Er hat mir versprochen, dass hier jetzt dreissig Jahre nichts mehr getan wird.

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  6. Elli, Deine Zauberesche ist im Jahr 2200 ein Symbol für die Zerstörung und gleichzeitig für die Hoffnung und das Leben. Sie lebt in Millionen Herzen weiter.

    Daß Du die Rodung zumindest um Dein Grundstück herum stoppen konntest, ist eine schöne Nachricht.

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  7. Hm, nachdem ich das jetzt mal so alles gelesen habe, habe ich mehrere Dinge beizutragen. Zum einen ist dies ein sehr schön geschriebener Artikel, mit Fantasie und Gedankenspiel kann man schon so einiges erreichen. Ich stimme in einigen Punkten zu, vor Allem was das Quälen von Tieren angeht. Im Moment ist noch so, dass Fleisch benötigt wird. Sei diese Tatsache nun moralisch richtig oder nicht, davon sehe ich an dieser Stelle einmal ab. Damit möchte ich sagen, es gibt bisher noch keine akzeptable alternative die das Töten von Tieren zur Fleischproduktion ersetzt. Wie gesagt, diese Aussage geht nur davon aus dass es im Moment noch viele Menschen gibt die nunmal auf Fleisch nicht verzichten möchten, so schlimm das nun auch sein mag. Allerdings möchte ich hier ganz klar sagen, dass das Quälen von Tieren etwas ist, dem man sich absolut entgegen stellen sollte. Ich glaube nicht dass es möglich ist, von heute auf morgen etwas zu ändern, vor Allem nicht mit so Zahlen wie 1% Veganer in der Bevölkerung, aber man kann nunmal nicht an einem Tag den Krieg gewinnen, man muss eben Stück für Stück voran arbeiten. Und da denke ich, dass das Quälen von Tieren der erste Faktor sein sollte an dem man arbeiten muss, wenn man sie schon schlachten muss, dann wenigstens in einer Art und Weise die nicht unnötig Qualen verursacht. Das klingt jetzt möglicherweise gemein aber so ist die Realität nunmal. Vielleicht kann dann der Schritt erfolgen die Tierschlachtung zu reduzieren aber zunächst einmal, finde ich, sollte man dafür sorgen dass nicht unnötig Tiere getötet werden, wie in dem Beispiel der Küken. Ich bin weder Veganer noch Vegetarier aber ich finde dieses systematische Töten ohne Sinn auch nicht richtig.

    Des Weiteren kann ich durchaus verstehen, wenn man sich von dem Züchten von Tieren aus Nahrungsgründen abgestoßen fühlt, mir selbst ist das auch nicht so ganz geheuer. Dennoch sollte man nicht hingehen und den kompletten Fleischkonsum verurteilen. Soweit ich das weiß gibt es immer noch Länder, die ganz schön aufgeschmissen wären wenn der Vater nicht für seine Familie das Lamm schlachten dürfte, usw. Nur ein Beispiel. Notgedrungen mussten Menschen im Laufe der Zeit eine gewisse Menge an Wald abholzen und eine gewisse Menge an Tieren für sich selbst verwenden. Dies kam einfach mit der verbreitung des Menschen, heutzutage sollte man schon in der Lage sein die Abholzung zu minimieren, finde ich. Allerdings müssen wir dazu wohl auch noch etwas moderner werden. So toll zB Bücher auch sind, so recyclebar sie auch sind, es ist immer noch Papier was genutzt wird. Im Unterricht und wo nicht auch alles. Wenn wir schon anfangen wollen in der Zukunft zu leben sollten wir auch dafür sorgen dass wir diese Verschwendung aufgeben. Reklamepapier usw. In meinem Wohnort bekomme ich glaube ich 5 Zeitungen geliefert die ich nicht abonniert habe und die ich sofort ins Altpapier werfe. Muss das denn sein?

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  8. Wie immer wunderbar... am Ende mußte ich sogar ein Tränchen verdrücken.
    die Krissi

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  9. Vielen Dank für diesen Blog, der hoffentlich so einige zum Nachdenken UND Handeln bringt!

    Zum Thema "Gehirnentwicklung durch Fleischkonsum" erlaube ich mir, eine auszugweise Übersetzung eines Artikels des ital. Tierschützers Dr. Franco Libero Manco einzustellen, die erhellend sein mag:

    Hat Fleisch die Evolution der Hominiden begünstigt ?
    Franco Libero Manco, Januar 2011
    So denken diejenigen, die die Gleichzeitigkeit der Einführung von Fleisch in die Ernährung der ersten Menschen und die Entwicklung des menschlichen Gehirns nur oberflächlich betrachten. Es wird außerdem behauptet, dass Fisch durch die Einführung von Omega-3-Fetten zur Evolution beigetragen hätte (als ob diese Fettsäuren ein besonderer Vorzug von Fisch wären, den man sich zudem in den zwischen den Tropen liegenden Wäldern nur schwerlich hätte beschaffen können). Derartige Behauptungen werden von anthropologischen Studien nicht gestützt, da es nicht möglich ist, dass Produkte, die mit unserer grundsätzlich frugivoren Natur nicht vereinbar sind, zu unserer Evolution beitragen können. Wenn dem so wäre, würde es genügen, unserern Cousins, den Schimpanzen, Fleisch zu verabreichen, um ihre Intelligenz zu fördern. Hingegen haben entsprechende Experimente gezeigt, dass die Ergänzung ihrer Ernährung mit Fleisch zu den gleichen Erkrankungen führt wie beim Menschen.

    [...]

    Eskimos, die sich fast ausschließlich von Fleisch ernähren, oder indigene Völker, die auch heute noch vorwiegend von der Jagd leben, müssten gemäß der o. g. Theorie zu den am weitesten entwickelten und intelligentesten Völkern gehören. Stattdessen ist nicht bekannt, dass sie sich jemals durch irgendeine kulturelle, wissenschaftliche oder künstlerische Errungenschaft hervorgetan hätten.
    Der Brennstoff für unser Gehirn ist Glukose, ein Brennstoff, der ausschließlich aus Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs gewonnen werden kann(mit Ausnahme der Milch, die Glukose in Verbindung mit Galaktose enthält). Das bedeutet, die Intelligenz benötigt Kalorien für ihre Entwicklung, die vorwiegend im Getreide und Gemüse enthalten sind. Die Aufnahme von Samen und Getreide in die menschliche Ernährung führt zu einer höheren Produktion von Insulin und baut Kalorienreserven für mögliche Hungersnöte und lange Kälteperioden im Winter auf.

    Darüber hinaus erhöhen Proteine den Kortisolspiegel im Blut, was zu einer Herabsetzung der Gedächtnisleistung führt. Ein Übermaß an Protein verursacht Amyloidose [A.d.Ü.: Als Amyloidose bezeichnet man die Anreicherung von abnorm veränderten Proteinen zwischen den Zellen]. Dies führ zum Auftreten einer Substanz im Gehirn, die durch die Veränderung des Eiweißstoffwechsels produziert wird und zu einer vorzeitigen Alterung und somit zur Alzheimererkrankung führt, die eine degenerative Erkrankung des Gehirns ist. Der berühmte Wissenschaftler Tennis J. Selkoe behauptet in diesem Zusammenhang: „Wenn sich im Gehirn übermäßige Mengen von amyoloiden Eiweißen ansammeln, kann dies die Alzheimerkrankheit hervorrufen, [...].

    ----

    Und noch eine eigene Anmerkung: Wenn der in langer Vorzeit eingetretene Fleischkonsum tatsächlich zur Entwicklung der Intelligenz des Menschen beigetragen hätte, wieso ist er dann heute so unbeschreiblich dumm, dass er sehenden Auges seine eigene Lebensgrundlage zerstört?? Mir will eher scheinen: Fleisch macht dumm!

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  10. Lieber Marsili,
    ich habe mir erlaubt, Dich bzw. einen Auszug Deiner "Nachrichten aus der Zukunft" in Bingos Tagebuch http://world-of-pd.blogspot.com/2011/02/marsili-cronberg.html einzubauen.
    V. G., PD

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  11. Etwas Besseres zum Thema habe ich bisher nicht gelesen. Herzlichen Dank Marsili. ich werde Deinen Text verlinken und ihn weitergeben wo ich nur kann.

    Wie oft habe ich mir ausgemalt wie die kommenden Generationen unsere Verfehlungen sehen werden? Zumindest weiss ich jetzt wo sie davon erfahren: im Museum.

    Liebe Grüsse
    `s chnueppelwiibli

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  12. Cooler Blog, ich bin ein Fan! Ich kann ihn gerne mit meiner Gedichthomepage verlinken, wenn Du einverstanden bist.

    Unter folgendem Link findest Du einige Tierrechtsgedichte:
    http://www.alinya.de/werke-gedichte-mitgefuehl.htm

    Liebe Grüße,
    Alinya

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  13. Gute Idee mit Mark Zuckerberg. Ist er schon Vegetarier oder Veganer? Können wir die Zeitlinie von der Zukunft her so beeinflussen, dass er es möglichst bald wird und sein Vermögen möglichst bald spendet? Wir haben nicht mehr viel Zeit! Unser Planet ist in Aufruhr. Wir brauchen einen veganen Planeten, um überleben zu können. Genauere Infos: www.suprememastertv.com

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  14. Einfach nur gut! Und soooo wichtig! DANKE!

    Heinz Körner

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  15. Olli sagt...
    Zuerst kurz zu "Heike hat gesagt…" etwas. Schimpansen essen Fliesch, fast jeden Tag, also in der Wildnis, die jagen kleinere Affen und essen diese...

    Und zu der Seite, find ich super, es gibt Täglich mehr Veganer, Tierschützer, und wir werden kommen, kämpfen und aufklären... Daran glaub ich ganz ganz fest...
    Die Tiere haben auch eine Seele, vielmals eine schönere wie manche Menschen, Sie lieben DICH, egal woher Du kommst, egal wie Du denkst, aussiehst und wie krank Du bist.....

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  16. Sehr guter Text.
    go vegan. 'Art'gerecht ist nur die Freiheit..wir haben die auch..warum töten,versklaven,etc. wenn es nicht sein muss? was du nich willst, das man dir antut, das füg auch keinem anderen zu! nur weil irgendjemand mal manche Tiere als (Aus)Nutztiere und andere als Familienmitglieder (Hund, Katze,etc.) bezeichnet hat, muss man dem nicht folgen. Speziesismus- ist eine diskriminierende Ideologie wie Rassismus und Sexismus. Es liegt an jedem einzelnen selbst...

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