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„Wenn man in die Geschichte der Menschheit blickt, stößt man auf unfassbar entsetzliche Ereignisse. Noch unfassbarer aber ist, dass die große Mehrheit der Täter stets glaubte, das Richtige zu tun.“
Thommes Donnel kurz vor seinem Ableben im Jahr 2152.
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Liebe Freunde.
Als die Spanier im 16.Jahrhundert in Amerika entsetzliche Massaker an der dortigen Bevölkerung begingen und unermessliche geistige Schätze vernichteten, glaubten sich die Täter im Recht.
Als im Jahr 1914 mit dem ersten Weltkrieg das Jahrhundert der unerklärbaren Katastrophen eingeläutet wurde, brachen die Völker der kriegsbeteiligten Länder in hellen Jubel aus. Millionen Menschen zogen im Glauben an Gerechtigkeit begeistert in einen Krieg der blutrünstigen Monster.
Als um die Jahrtausendwende die Tierhaltung zu einer Monsterindustrie mit dem Ziel immer höherer Effektivität wurde und dafür jährlich Billionen Tieren gequält und geschändet wurden, wurde dies von der konsumierenden Weltbevölkerung kritiklos mitgetragen.
Der Blick in die Geschichte der Menschheit ist auch immer ein Ringen nach dem Begreifen der Ereignisse. Was uns heute unvorstellbar erscheint, war zur jenen Zeit selbstverständlich. Wir Menschen sind Kinder unserer Umwelt. Wäre ich im 16. Jahrhundert in Spanien geboren, zählte ich vielleicht auch zu jenen fanatischen Inquisitoren. Wäre ich Ende des 19. Jahrhunderts geboren, hätte ich mich vielleicht auch freiwillig und voller Vorfreude auf den Krieg von Frau und Kind verabschiedet. Wäre ich vor der Jahrtausendwende geboren, hätte ich vielleicht auch zum billigen Fleisch aus Massentierhaltung gegriffen.
Vielleicht wäre es den meisten so ergangen. Sie hätten sich mit tonnenschwerer Schuld beladen im Glauben, das Richtige zu tun. Indianer sind Heiden, Franzosen sind Unmenschen, Tiere sind nur zum Essen da. Unglaublich. Für uns.
Dies möchte ich in Erinnerung rufen, bevor ich beginne, mich mit dem vielleicht komplexesten Thema des Blogs zu nähern: Der Entwicklung der Religionen. Es fällt mit unserem heutigen Weltbild leicht, sich über die Vorstellungen gläubiger Menschen in der Geschichte lustig zu machen. Da wurden Blutopfer erbracht. Da wurde Gott als männlich betrachtet. Da wurde ein menschlicher Prophet als Sohn Gottes bezeichnet. Ja, das war so. Aber es war gut. Denn es war in Bewegung und passte zur jeweiligen Zeit. Das Verstehen der Welt braucht Entfaltung. Nur einmal wurde dieser wichtige Prozess aufgehalten: bei der Dogmatisierung der monotheistischen Religionen. Wie dies geendet hat, wissen wir. Heute zählen diese Religionen nur noch zum Bruchsteinfundament unseres Weltverstehens. Heute ist es leicht, zu urteilen.
Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass die Säulen unserer Welt auf den Häusern unserer Ahnen stehen, selbst wenn die nur noch Trümmer sind. Ohne die Opfer und Qualen, die Verirrungen und Einsichten unserer Großmütter und Großväter wären wir nicht da, wo wir jetzt sind.
Deshalb möchte ich, dass wir mit Respekt zurückblicken auf die Entwicklung der Religionen in den letzten Jahrhunderten. Nicht mit Häme, nicht einmal mit Wut. Und bitte denkt daran, dass die weltweite Befreiung der menschlichen Spiritualität in Big Zero nicht möglich gewesen wäre ohne tiefe, bedingungslose Liebe.
Bevor ich zum berühmten Engelslied komme, zunächst ein Interview mit der Ethnosoziologin und Gründerin der Initiative „Kreuzdenken“ Boley Küstelmacher aus dem Märzheft 2152 von Historymorning:
Historymorning:
Frau Küstelmacher, vor den Gedenkfeiern zum hundertsten Jahrestag von Big Zero wird in den Medien ein Thema ganz besonders kontrovers diskutiert: das Ende der großen Religionen. Christentum und Islam werden demnach als Basis eines machtorientierten Zeitalters besprochen. Dies wollen Sie so nicht stehen lassen. Warum?
Küstelmacher:
Nun, für uns ist es natürlich leicht, die vergangenen Religionen zu kritisieren. Aber wir müssen bedenken, dass die Menschen damals noch nicht das tiefe Verständnis von der Welt hatten, wie wir es inzwischen haben.
So blieb bis vor Big Zero nur wenigen Menschen das physikalische Wissen von den höheren Dimensionen vorbehalten, also daß unsere dreidimensonale Welt nur Abbild dieser höheren Dimensionen ist. Ebenso glaubten die Menschen an eine unbedingte Individualität, ohne zu ahnen, dass diese nur auf unsere Weltdimension beschränkt ist. So konnte auch der für uns unbegreifliche Glaube bestehen bleiben, dass Gott ein von uns getrenntes Wesen ist.
Historymorning:
Aber die physikalischen Experimente, die die Existenz höherer Dimensionen bewiesen, reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Bohr, Heisenberg und Schrödinger, um nur einige zu nennen, schufen die Voraussetzungen für ein Umdenken in der Wissenschaft. Von Heisenberg stammt der berühmte Spruch: Der erste Schluck aus dem Becher der Wissenschaft macht atheistisch. Aber auf dem Grund wartet Gott.
Küstelmacher:
Nun, damals wurde die weltbildverändernde Schlussfolgerung der quantenphysikalischen Experimente, die Sie da ansprechen noch nicht erkannt und erst recht nicht akzeptiert.
Daß miteinander verschränkte Photonen Information zu ihrem Zustand trotz riesiger Entfernung und begrenzter maximaler Dimensionsgeschwindigkeit (damals noch als Lichtgeschwindigkeit bezeichnet, d.Red.) zeitgleich austauschen können, blieb lange unverstanden. Dabei liegt es auf der Hand, dass der Informationsaustausch bei Zeitgleichheit über höhere Dimensionen geschehen muss. Man kann es mit einem Blatt Papier vergleichen, sozusagen einem zweidimensionalem Raum, der so gefaltet wird, dass 2 beobachtete und weit auseinander liegende Punkte in der höheren – hier der dritten – Dimension plötzlich aufeinander liegen. Außerdem wurde erst nach und nach Einsteins revolutionäre Erkenntnis verstanden, dass die Zeit ein Produkt des Raumes ist und damit quasi nur in unserer dreidimensionalen Welt existiert.
Im berühmten Doppelspaltexperiment wurde zudem der Einfluss des menschlichen Bewusstseins auf den Zustand von Materie beobachtet, somit also schon recht früh der fundamentale Einfluss des Bewusstseins auf den Zustand von Materie nachgewiesen.
Dennoch brauchte man noch ein weiteres Jahrhundert, um die bedeutenden Schlüsse zu ziehen, die heute als Kausaltheorie des Bewusstseins jedes Kind in der Schule lernt.
Historymorning:
Die von Ihnen angesprochene Theorie besagt, dass die Welt von Bewusstsein aus höherer Dimension heraus geformt wird und jedes individuelle Bewusstsein dieser Welt ein winziger Teil davon ist.
Küstelmacher:
Korrekt. Als sich diese Erkenntnis in Big Zero durchsetzte, versetzte das den monotheistischen Religionen den Todesstoß.
Historymorning:
Warum?
Küstelmacher:
Nun, die monotheistischen Religionen gingen von einer geistigen Trennung der Individuen von Gott aus. Die Individualität wurde damals noch nicht als bedingtes Produkt unserer dimensionalen Welt erkannt. Als sich die Erkenntnis, dass Gott kein höheres und von uns getrenntes Wesen ist, mit dem Bewusstseinswandel um das Jahr 2012 immer mehr durchsetzte, wurde damit den monotheistischen Religionen langsam der Boden entzogen. Diese basierten auf der Annahme eines beobachtenden, gebenden und auch strafenden Gott, den man anbeten kann. Man muss aber aufpassen mit unseren Vorurteilen gegenüber den damaligen Vorstellungen. So wird heute gern behauptet, dass das Christentum sich Gott als Mann mit Bart vorstellte. Das ist natürlich vollkommen falsch und stammt aus der Zeit der Christdenunzierung unmittelbar vor Big Zero.
Historymorning:
Sie haben immer die bedeutende Rolle von Islam und Christentum betont und sind dafür massiv angegriffen worden. Dennoch bestehen Sie noch heute auf dem immensen Stellenwert der monotheistischen Religionen in der Geschichte.
Küstelmacher:
Natürlich, dazu stehe ich auch weiterhin. Heute wissen wir freilich, welchen Schaden die beiden großen monotheistischen Religionen angerichtet haben. Wir wissen, dass sie Milliarden Menschen als geistige Geiseln nahmen, dass Milliarden Menschen ihr Leben lang in Angst lebten, nur weil sie gegen überholte Gebote verstießen oder Angst vor der Hölle hatten. Die sexuelle Einschränkung war ein tragischer Denkfehler mit unbeschreiblichen Folgen für den seelischen Zustand der Menschen. Wir kennen die Religionskriege, die Opfer der Inquisition. Wir wissen, dass gerade die Religionen durch ihre Sturheit für die Ausbreitung des Atheismus im 20. Jahrhunderts verantwortlich waren. Die Irrtümer von Christentum und Islam füllten vor Big Zero ganze Bücherregale. Dennoch sehe ich diese Religionen als bedeutenden und unerlässlichen Teil der Entwicklung. So glaube ich, dass erst durch die Überwindung dieser dogmatischen Religionen wirkliches Bewusstsein zur Freiheit entstehen konnte. Die Freiheit ist deswegen ein so hohes Gut, weil die Menschen wissen, was Gefangenschaft ist. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Religionen über viele Jahrhunderte hinweg Halt gegeben haben.
Historymorning:
Aber dieser Halt war teuer erkauft.
Küstelmacher:
Ja, sicher. Ein solch hoher Preis war zum Beispiel die unkontrollierte Zerstörung der Natur, weil selbst nach der Jahrtausendwende und im Angesicht gewaltiger Naturkatastrophen die meisten Menschen wie eingemeißelt in ihrem Kopf trugen, dass der Mensch sich die Erde Untertan machen solle, dass die Erde für den Menschen da ist. Dabei beruhte dieser Irrglaube einzig auf einer Fehldeutung des griechischen Urbibeltextes. Wie oft hörte man in den Jahren vor Big Zero noch: „Tiere sind zum Essen da.“ Heute ist dieses widerliche Gedankengut zum Glück nicht mehr vorstellbar. Wie fest die Menschen an den Bibeltext als Wort Gottes glaubten, sah man zum Beispiel auch daran, dass die meisten Christen selbst dann noch an eine Jungferngeburt Marias glaubten, als es schon nachgewiesen war, dass im Urtext der Bibel nicht von einer Jungfrau, sondern nur von einer jungen Frau gesprochen wurde.
…..
Ich will euch jetzt nicht noch weiter langweilen mit dem Interview, von dem ich hier nur etwa ein viertel eingestellt habe. Küstelmacher geht später noch weiter auf die Bibel und ihre Ursprünge in älteren Religionen ein, ich will das aber lieber an anderer Stelle aufgreifen.
Ich komme nun endlich zum berühmten Engelslied. Der Zettel mit dem Lied wurde ja im Jahr 2052 in der Nähe des Kölner Domfeldes gefunden und zählt heute zu den bewegendsten Big-Zero-Dokumenten. Er ist derzeit wieder im Kölner Museum für Neue Geschichte zu sehen. Niemand weiß genau, wer das Lied geschrieben hat. Man rechnet es einem Mädchen zu, das in den Wirren von Big Zero ums Leben gekommen ist. Aber diese Geschichte habt ihr alle selbst in der Schule gelernt. Zumindest kennt jeder den Big-Zero-Film „Engelslied“ mit Heather Shoolan.
Ich habe das Lied als Kind geliebt, weil es so traurig ist. Die tiefe Bedeutung und ungeheure Kraft der Worte habe ich aber erst später richtig verstanden. Hier ist es noch mal für alle, die die Worte nicht im Kopf haben:
Engelslied
Folge mir, trauriger Engel
Folg mir, ich trage den Wind
Sing mir, gefallener Engel
Sing mir, wie innig wir sind
Halte mich, trauernde Seele
Halt mich, ich folge dir blind
Vergib mir, verlorene Seele
Ich sah nicht, wie wahr wir sind
Zertrenne des Zwiespalts Fänge
Das Reich werden wir uns ersehnen
Wir waren verschleierte Engel
ich zahl meine Schuld dir mit Tränen
Die kraftvollen und wunderschön lyrischen Worte der letzten Strophe stehen heute über dem Eingang des euroländischen Parlaments in Graz. In dieser Strophe nimmt die junge Dichterin den mächtigen geistigen Aufbruch vorweg, der nach Big Zero die Menschheit nach Jahrhunderten der spirituellen Dunkelheit wieder aufrichtete.
Ihr habt es sicher bei der Big Zero – Gedenkfeier im letzten Jahr in Berlin gehört. Dort wurden die ersten zwei Strophen von einem unbekannten Mädchen mit heller Stimme gesungen. Ich fand es sehr schön, dass endlich mit der alten Tradition gebrochen wurde, das Lied von einer bekannten Sängerin trällern zu lassen. (ChangCher im vorletzten Jahr fand ich unwürdig und schrecklich. Für ihren billigen Singsang mag es ja reichen, aber doch nicht das Engelslied. Egal, wie berühmt sie ist. (Sorry, wollte keinem ChangCher-Fan auf die Füße treten, aber ist doch wahr …)
Aber letztes Jahr ging der Höhepunkt der Feier wieder richtig tief unter die Haut. Das Mädchen wurde zunächst nur von einer einzelnen Gitarre begleitet und als dann in der dritten Strophe Chor und Streicher einstiegen und sich die Strophe in einem Kanon immer weiter aufbaute und zu unbeschreiblicher Klangfülle anschwoll, liefen wohl bei allen die Tränen. Ich bekomme schon wieder Gänsehaut, die Pauken am Ende, einfach irre.
Aber was bedeuten die Zeilen nun wirklich? In der Kinderzeitung Fritzi von Mai 2173 habe ich folgenden Artikel gefunden, der die Bedeutung des Engelsgedichtes einmal ganz ungewöhnlich, aber sehr einleuchtend beschreibt:
Stellt euch einmal eine einzelne Nervenzelle vor. Sie lebt in einem riesigen Verbund von anderen Zellen, hat ihren angestammten Platz, kommuniziert mit vielen anderen Nervenzellen und erfüllt somit ihre Aufgabe, von der sie selbst vielleicht garnicht genau weiß. Ja sie sieht nichteinmal, dass sie winziger Teil eines großen Gehirns ist, so wie unsere Seele nicht sieht, daß sie ein Teil von etwas viel größerem ist.
Nun ist unser Gehirn der Empfänger für unser Bewusstsein. Wir sind also über das Gehirn mit dem großen, weltschöpfenden Bewusstsein verbunden, das man auch Gott nennt. Ja, wir sind Teil von diesem Gott, so wie eine Nervenzelle Teil des Gehirns ist.
Das Engelsgedicht beschreibt mit einem Satz „Wir waren verschleierte Engel“ den Moment, als diese Erfahrung gewonnen wurde. Wir sind also Engel, verbunden mit Gott –wie alle anderen Lebewesen auch- und die Menschen waren sich dessen lange Zeit in vielen großen Religionen gar nicht bewusst. Nur die östlichen Religionen haben das gelehrt. Erst vor über einhundert Jahren haben die Menschen das überall auf der Welt verstanden.
Seitdem bauen wir unsere Welt in dem Wissen über die Bedeutung der Liebe neu auf. Mit Liebe bezeichnen wir in diesem Fall das Fühlen des Lebensatems. Wir wissen heute, dass die Welt ein Abbild des Bewusstseins ist und dass sie von den Gedanken und Träumen aller lebenden Wesen geformt wird. Im Gedicht wird das beschrieben mit: „Das Reich werden wir uns ersehnen“.
„Ich zahl meine Schuld dir mit Tränen“ bezieht sich dagegen nur auf die Menschen und ihr Verstehen, welch unermessliche Schuld sie bis vor Big Zero aufgetürmt haben. Doch sie gaben nicht auf und begannen, ihre Schuld abzutragen. Nicht mit Geld (mit Taten), sondern mit Tränen (mit dem Geist), mit dem schmerzhaften Eingeständnis der eigenen Schuld.
Liebe Kinder, wir wissen nicht, wer das Engellied wirklich verfasst hat. Daß es ein junges Mädchen war, gilt als sicher. Doch wie hieß sie, wie sah sie aus? Und wie kam sie zu Tode? Niemand weiß es. Doch das Mädchen ist nicht wirklich gestorben. Ihr Lied ist heute weltberühmt. Diese berührenden Zeilen gaben den Menschen in den schweren Jahren nach Big Zero viel Kraft und Mut und so haben die Worte dazu beigetragen, dass wir heute nach Jahrhunderten der Dunkelheit in einer Welt des Lichtes leben dürfen.
Dem möchte ich an dieser Stelle nichts mehr anfügen, denn das Engelslied steht ganz für sich. Lasst den Zauber auf euch wirken.
Euer Marsili
Hallo an alle von dem Buchautoren Dirk Michael Roscher
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