Montag, 24. September 2012

Wie die Kirche Demut lernte



Bernhard Salewski - der furchtlose Kardinal

Am 11.Juni 2022 hielt der Kardinal des Bistums Fulda eine Predigt, die als Kniefall der Kirche in die Geschichte eingehen sollte. Anlass war die Ermordung des Umweltaktivisten Sigurd Öreson durch christliche Fundamentalisten. Sie töteten den weltweit hoch angesehenen Tierschützer, weil sie in im ein Symbol für die Entmachtung der katholischen Kirche sahen. Öreson war es in seinen flammenden Reden und Aufsätzen immer wieder gelungen, die Mitschuld der Kirche an den Verbrechen der Umwelt aufzuzeigen. Selbst bisherige Tierschutzgegner konnte er mit seinen Worten überzeugen. Der Papst schwieg. Selbst als die Fragen an ihn immer drängender wurden, konnte er sich nicht dazu entschließen, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen.
Am 9.Juni 2022 wurde Sigurd Öreson in Mailand auf offener Straße erschossen. Die Täter stellten sich. Es waren 2 Novizen eines katholischen Ordens.
Kardinal Bernhard Salewski war bis zu seiner live im Radio übertragenen Predigt am 11. Juni 2022 als konservativer Verteidiger des katholischen Glaubens bekannt. Was ihn dazu bewogen hat, die Dämme zu brechen, blieb für immer sein Geheimnis:
Liebe Gemeinde, liebe Zuhörer an den Radios, liebe Netzgemeinde,
vor zwei Tagen wurde in Mailand ein Verbrechen begangen. Sigurd Öreson wurde ermordet. Er war ein Feind der katholischen Kirche. Er war einer unserer schärfsten Gegner.
Dieser Mord, dieser Tag ist für die katholische Kirche eine Zäsur. Es ist ein Scheideweg und wir können an diesem Tage nicht sagen, ob die Kirche in ihrer Form überleben wird.
Dominium terrae. So steht es in der Bibel geschrieben. Genesis 1.28
Beherrsche die Erde. Mach dir die Erde Untertan.
Wenn man Öreson Glauben schenkt, dann leidet heute die ganze Welt an den Folgen dieses göttlichen Befehls an die Menschheit.
Und er hat Recht.
Die Auslegung dieser Worte durch die Kirche und die darauf fußende Legitimation der Ausbeutung der Erde durch die weltliche Gesellschaft hat die Türen geöffnet für eine maßlose Inanspruchnahme von Natur und Leben. Der Glaube, daß nichtmenschliches Leben von Gott vor allem dafür geschaffen wurde, damit dies vom Menschen verbraucht werden solle, ist der größte Fehler in der Geschichte der Menschheit. Er hat unermesslich großes Leid über die Erde gebracht, und die katholische Kirche ist heute an dem Punkt angelangt, an dem sie sich zu ihrer Schuld bekennen muss. Tut sie dies nicht, ist sie ihrer Rolle als Wegweiser der Menschen nicht mehr würdig.
Sigurd Öreson wies auf diese Schuld hin. Lange haben wir uns gegen seine Argumente gewehrt. Doch nun ist es an der Zeit, die Waffen zu strecken und der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Die Zeit des Selbstbetruges ist vorbei:
Die Kirche hat schwere Schuld an der der weltweiten Zerstörung der Natur. Sie duldete diese nicht nur, sie bestärkte die Weltbevölkerung auch in dem Glauben, daß dies das Recht der Menschen sei.
Ein unverzeihbarer Fehler.
Die Kirche trägt schwere Schuld am Hungertod von Millionen Menschen. Sie sah nicht nur weg, als die maßlosen westlichen Wirtschaften sich wie Heuschrecken über fruchtbares Land in armen Ländern hermachten, sie bestärkte die Menschen auch noch im Glauben, daß Gott dies dulde.
Ein unverzeihbarer Fehler.
Die Kirche trägt schwere Schuld am Millionenfachen Tod von Menschen, die in der Folge des zügellosen Konsums erkrankten und an den Krankheiten starben. Sie duldete diese Maßlosigkeit nicht nur, sie bestärkte die Menschen darin, daß ihnen das Übermaß zustehe und die Völlerei obendrein nicht schaden würde.
Ein unverzeihbarer Fehler.
Die Katholische Kirche hat versagt.
Sie hat sich von Gier leiten lassen, von menschlichen Schwächen und nicht von der  gottgegebenen Verantwortung des Menschen über die Natur, über die Schwächeren, über das Leben. Sie hat mit ihrem Versagen die halbe Menschheit zu Mittätern an unermesslichen Verbrechen gemacht. Sie hat die Menschen in dem Glauben gelassen, daß Gott es so will.
Dominium terrae.
2 Worte. Es sind die verheerendsten Worte, die jemals geschrieben wurden.
Worte, die nun über 2000 Jahre alt sind und geschrieben wurden, als an Milliarden Menschen noch nicht zu denken war.
Als Papst Benedikt der 16. vor über 25 Jahren noch als Kardinal mahnte: „Der Auftrag des Schöpfers an den Menschen heißt, dass er die Welt als Gottes Schöpfung im Rhythmus und in der Logik der Schöpfung pflegen solle.“ wurde eine große Chance vertan. Denn was sollten die einfachen Menschen mit diesen vergeistigten Worten, die die richtige Botschaft enthielten, aber dennoch nicht verstanden wurden, anfangen? Wir haben die Gelegenheit vertan, sie mit Leben zu füllen, mit Substanz.
Wir hätten anfügen sollen, laut und deutlich:
"Esst keine Tiere mehr, denn wir vertilgen damit unser eigenes Leben.
Esst keine von Gott an unsere Seite gegebenen Mitgeschöpfe mehr, denn wir haben uns so schwer an Tieren und Umwelt vergangen, daß wir auf unbestimmte Zeit jedes Recht dazu verloren haben.“
Die Menschen, die der katholischen Kirche folgten, trifft keine Schuld. Denn diese Worte wurden nie gesagt. Sie verblieben im geistigen Raum. Niemand hatte den Mut, diese unbequeme Wahrheit auszusprechen. Und so wurde vor 25 Jahren die große Gelegenheit vertan, die christliche Welt aus ihrem Schlaf zu wecken und die Zerstörung der Umwelt, vor deren unabwendbaren Konsequenzen wir heute stehen, aufzuhalten.
Denn die Menschen taten weiter das, ja tun bis zum heutigen Tage das, was ihnen von kleinauf gesagt wurde: Mach dir die Erde Untertan. Gott ist es Recht.
Sigurd Öreson war ein Gegner der katholischen Kirche. Doch er war ein Freund des Lebens. Und deshalb musste er unser Gegner sein. Wir selbst ließen ihm keine Wahl. Denn wir selbst haben uns zu Gegnern des Lebens gemacht.
Daß Öreson von selbsternannten Verteidigern unseres Glaubens ermordet wurde, lädt weitere unermessliche Schuld auf uns. Dieser Mord lässt die Dämme brechen. Wir können sie nun nicht mehr halten.
Und deshalb falle ich heute auf die Knie und bitte um Vergebung. Und alle, die mir folgen wollen, alle denen Jesus´ Lehren teuer sind und die wie er das Leben, das Gott uns an die Seite gab lieben, alle, die sehen und fühlen, wie groß unsere Schuld ist, die alle mögen es mir gleich tun.“

Die Predigt war eine Sensation. Bereits am Abend war sie in über 30 Sprachen übersetzt worden und wurde weltweit pausenlos gesendet. Gespannt beobachtete die Weltöffentlichkeit, was mit Kardinal Bernhard Salewski geschehen würde. Der Papst ließ über viele Tage garnichts verlauten. Er wollte wohl abwarten, ob sich der Staub wieder legen würde. Am 2. Juli 2022 schließlich ließ auch er sich im Petersdom öffentlichkeitswirksam auf die Knie fallen. Er bat um Vergebung. Zunächst bat er um Vergebung für den Mord an Öreson. Doch dann folgte das Bitten um Vergebung für die Mitschuld am Mord an Billionen Tieren und an den weltweiten Schäden an der Natur.
Ob der Papst hoffte, damit nur den damals bereits absehbaren Verfall der katholischen Kirche aufzuhalten oder ob er es wirklich ehrlich meinte, kann man heute nicht mehr sagen. Denn die katholische Kirche und viele Aufzeichnungen verschwanden in den späteren Wirren ihres endgültigen Untergangs. Doch eins erreichte er damit: Weltweit sank der Fleischkonsum drastisch. Das Christentum besann sich seiner Verantwortung. Zu spät für die Umwelt, wie wir heute leider wissen… 

Marsili Cronberg
                                Ort der sensationellen Rede - der Dom zu Fulda

Samstag, 14. Juli 2012

NEXT TRY – Aufbruch in eine neue Zeit


In den Jahren nach der Jahrtausendwende formte sich in Mitteleuropa eine Bewegung, die heute im Jahr 2200 zu den bedeutendsten Einflüssen des weltweiten gesellschaftlichen Wandels gezählt wird. Nach Meinung führender Historiker besaß sie damals noch am ehesten die Fähigkeit, die Menschheit vor den Katastrophen zu bewahren, die später mit dem großen Kataklysmus in Zero un  im Jahr 2052 über sie hereinbrach. Als sich unsere Gesellschaft nach diesen Schreckensjahren neu formte, floss in die geistige Neugestaltung ein Großteil der Ideen ein, die bereits im Gründungsdokument sowie in den später ausgearbeiteten Thesen dieser visionären Bewegung enthalten waren.
Legenden ranken sich um die Entstehung der Organisation, die zu ihrer Hochzeit mehrere Millionen Mitglieder hatte. Wir wissen heute weder, wo genau ihr Ursprung lag noch, welche Menschen sich damals zusammenfanden und den Funken auslösten, der zu einem großen Feuer der Herzen aufloderte. Wir wissen nur, was es war, das die Menschen sich damals vereinen ließ: Es war die Sehnsucht nach Frieden und der Wille, eine Zukunft auf unserem Planeten zu haben. Und der Name ist längst eine Legende für sich: NEXT TRY.
Meine Mission hat vor kurzem eine Veränderung erfahren. Wie ihr inzwischen vielleicht wisst, habe ich vom Ministerium für chronologische Angelegenheiten inzwischen die Lizenz erhalten, selbst in die Vergangenheit zu reisen. Einige Beiträge meines Blogs zeugen bereits davon, ebenso mein in der Vergangenheit erschienenes erstes Buch „Wie ich verlernte, Tiere zu essen.“.
Nun also NEXT TRY. Ich darf verraten, dass eine meiner beobachtenden Aufgaben darin besteht, etwas über deren Gründungsjahre in Erfahrung zu bringen.
Und heute werde ich meine ersten Erkenntnisse mit euch teilen.
Das Gründungsmanifest
Zunächst möchte ich das berühmte Gründungsmanifest zitieren:
Aufbruch
Unsere derzeitige Gesellschaftsform hat versagt.
Die weltweite Zerstörung der Natur zeugt davon. Unermessliches Leid, Kollaps. Raubbau der Lebensgrundlagen uns folgender Generationen.
Unsere Gesellschaft funktioniert derzeit nur noch, weil sie die letzten Reserven anzapft und die großen Probleme weiter verdrängt. Bald werden Klima und Ökosystem der Erde umgekippt sein. Die Konsumokratie fährt gegen die Wand.
Auch wenn die Zeit schön war und wir uns gut amüsiert haben wird es nun Zeit, die Verdrängungsmechanismen abzuschalten und auf die Bremse zu treten. Nicht Amüsement und Profit dürfen mehr im Vordergrund stehen, sondern der Erhalt unserer Lebensgrundlagen.
Es ist Zeit, Industrie, Politik, Religion und Wissenschaft die Macht zu entziehen, die sie auf uns ausübten. Es ist Zeit zu erkennen, dass wir selbst es sind, die ihnen die Macht erst gaben, weil wir ihre Geschenke annahmen und damit unsere Freiheit verkauften.
Zeit, ihnen zu zeigen: „Ihr habt versagt. Jetzt sind andere dran, es zu versuchen.“
Wir sind jetzt dran.
Nächster Versuch.
NEXT TRY

Leider ist das Original in den Wirren um Zero un verloren gegangen, nur dieses alte Foto existiert noch davon. Die Worte wurden damals offenbar ganz spontan in ein Buch geschrieben. Der oder die Verfasser sind nicht mehr bekannt, auch nicht, ob das Buch noch weitere Texte enthielt. Es gibt heute wilde Theorien darüber, was auf den anderen Seiten stehen könnte. Uris Bellacard hat das Thema später in seinem Roman „Die feine Art zu sterben“ aufgegriffen. Er lässt darin eine Gruppe von Aussteigern in den Bergen einer einsamen polynesischen Insel nach den verborgenen Texten in ihrem Geist suchen. Im Lauf der Handlung entwickelt sich ein aberwitziger Trip, bei dem Fiktion und Realität ineinander verschwimmen. Im Leser wird ein derart intensiver Sog erzeugt, dass er nach der Lektüre nur noch eins will: wissen, welche verborgenen Worte im Buch wirklich enthalten waren. Doch dieser Wunsch muss leider unerfüllt bleiben.
Die ersten Jahre
Meine Mission in der Vergangenheit führte mich bisher in die Jahre 2011 und 2012. Dort vermuten wir die Ursprünge von NEXT TRY. Und ich fand in der Tat Spuren. Eine davon führte mich nach Berlin.
Berlin war damals eine aufregende Stadt. Mit drei Millionen Menschen zählte sie nicht zu den größten Städten der Welt, doch sie war ein Schmelztiegel der Sehnsüchte. Und eine der stärksten Sehnsüchte war die nach Frieden mit der Natur und insbesondere nach Frieden mit den Tieren. Berlin bot modern denkenden Menschen sehr gute Möglichkeiten, sich zu finden, sich zu vernetzen und etwas aufzubauen. Große Organisationen hatten hier ihr zu Hause. Organisationen, die später im Schulterschluss Millionen Menschen zu bewegen vermochten. Alles begann mit der Abkehr vom Konsum tierischer Produkte. Das Bewusstsein um die ethischen Konflikte und die gewaltigen Probleme, die die Tierproduktion auf der Welt hinterließ, entwickelte hier den entscheidenden Schub, der die Schweigemauern der Medien durchbrechen konnte und so die Mitte der Gesellschaft erreichte. Gerade im deutschsprachigen Raum waren in den Jahren zuvor theoretische Ansätze ausgearbeitet und verbreitet worden, die die Tierrechtsbewegung aus den Kinderschuhen hob und zu einem ernstzunehmenden Faktor machte.
Der Name
Der Name NEXT TRY entstammt vermutlich einem alten Roman, der Hyperionsaga des visionären Autors Dan Simmons. In seinem berühmten Epos schuf er eine faszinierende Figur namens Aenea. In ferner Zukunft wächst diese Frau zur Führerin einer neuen Zeit heran. Irgendwann soll sie eine Rede halten vor Menschen, die in einer zerstörten Welt ihre Hoffnungen an sie knüpfen. Sie will ihnen Mut geben, will ihnen sagen, was sie tun haben in ihrer Not. Gut überlegt sie ihre Worte, feilt an der Rede, immer wieder. Und sie ist nicht zufrieden. Zu lang. Also kürzt sie die Rede. Sie kürzt sie immer weiter, will sie auf das Wesentliche reduzieren und als es schließlich so weit ist, als die Menschen erwartungsvoll zu ihr hinaufsehen, sind nur zwei Worte geblieben: „nächster Versuch.“ Next Try.
Was wollte sie den Menschen damit sagen? „Glaubt an euch. Niemand kann euch vorschreiben, was ihr zu tun habt. Weder Politiker, noch Industrien, noch Medien. Ihr, die vielen Menschen seid es, die gestalten, nicht einige wenige, die euch die Gesetze diktieren wollen. Das alte System hat versagt. Zeit, etwas Neues zu beginnen. Seht nicht zurück. Haltet euch nicht mit Schuldzuweisungen auf. Lasst die Dunkelheit hinter euch. Auf zum nächsten Versuch. Und macht es besser. Ihr selbst wisst, was schief gelaufen ist. Ihr müsst nur in eure Herzen sehen und auf das hören, was in euch ist. Next Try.“
Aenea stirbt am Ende des Epos. Aber sie stirbt keinen normalen Tod. Sie opfert sich und geht auf in den Menschen. Sie ist in ihnen. Und mit ihr ist es die Hoffnung und die Kraft für eine neue, für eine bessere Welt.
Entfachung eines weltweiten Feuers
Wie wir wissen, wuchs NEXT TRY in den Jahren nach der Gründung zum geistigen Global Player heran. Da sich viele Organisationen dahinter vereinten, konnten zunächst kräftige Finanzquellen erschlossen werden. Hochgebildete und technisch herausragend geschulte Kräfte lenkten bald mit Besonnenheit und einer ordentlichen Portion Pragmatismus die Geschicke der Bewegung und sorgten für eine außergewöhnliche Blüte. Mit einer Art Guerillataktik wurden große Firmen unterwandert. Bald fanden sich an Schalthebeln großer Konzerne NEXT TRY-Leute und rissen von dort die Ruder herum. Große Medien konnten so beeinflusst werden. Legendär ist die beinahe gelungene komplette Übernahme der Tageszeitung BILD durch NEXT TRY. 
In der Politik hatte sich währenddessen eine neue Strömung entwickelt, die auch in den Regierungen die Schleusen für die Ideen von NEXT TRY öffnete. Immer mehr Menschen begeisterten sich für den Freiheitsgedanken. Bald war die Partei, die sich 2012 noch DIE PIRATEN nannte und damals noch sehr unerfahren war, an der Regierung beteiligt.
Einen weiteren sehr starken Einfluss auf NEXT TRY übte die berühmte Occupybewegung aus, der ich mich noch in einem eigenen Beitrag widmen werde. In ihr fanden sich die entscheidenden Wurzeln für die praktische Veränderung des ganzen Gesellschaftssystems. Die Verschmelzung der Ideen ließ letztendlich die Kraft entstehen, die NEXT TRY so erfolgreich werden ließ.
Gescheitert?
Und dennoch. Zero un konnte auch diese Bewegung nicht aufhalten. Warum nicht?
Ich verbringe nun schon einige Monate in der Zeit, in der dieser legendäre Aufbruch in eine neue Zeit seinen Anfang nahm. Ich spüre die Stimmung, die Aufregung, ich begegne vielen Menschen, die Teil haben an der Veränderung und diese ausgestalten. Natürlich fällt es mir oft schwer, weil ich um die bevorstehenden Dinge weiß. Natürlich bin ich oft traurig, wenn ich die Hoffnung in den Augen sehe und darum weiß, dass der Wandel der Gesellschaft leider zu spät kommen wird. Und es fällt mir zunehmend schwer, meine wahre Herkunft zu verschleiern und mich mit der Zurückzuhaltung zu bedecken, die mir vom Ministerium auferlegt wurde.
Und immer öfter frage ich mich: warum ist NEXT TRY am Ende tatsächlich gescheitert?
War es wirklich so, wie wir es zu wissen glauben? Unserem Erkenntnisstand nach waren die Fesseln der Gesellschaft damals noch zu stark. Es war nicht möglich, sich gänzlich aus ihnen zu befreien. Auch die Menschen, die für die Veränderung kämpften, mussten sich nach wie vor gestrigen Gesetzen unterwerfen. Sie brauchten Geld zum Leben. Sie brauchten Produkte, die ihnen nach wie vor von der raubbauenden Industrie zur Verfügung gestellt wurden. Sie waren nach wie vor in Traditionen gefangen, aus denen sie sich selbst nur sehr langsam befreien konnten. Es war ihnen nicht möglich, sich der Konsumokratie ganz zu entziehen. Auch NEXT TRYer wollten die neuesten Handys und Computer und auch sie verbrauchten Rohstoffe in großen Mengen. Und sie konnten sich nur langsam, zu langsam von der stärksten Fessel von allen befreien: vom Egoismus.
Die Jahre im unreflektierten Konsum hatten die Menschen aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Sie hatten von Kind auf gelernt, sich selbst über äußere Dinge zu identifizieren. Über Nationalitäten, Fußballmannschaften, Fernsehserien, Autos, materiellen Besitz.
Und nur wenigen gelang es damals, die eingefahrenen Gleise in der Konsequenz zu verlassen, die vielleicht nötig gewesen wäre. Auch Veränderer lechzten weiter nach Selbstbestätigung. Viele von ihnen glaubten nach wie vor, dass ihre Sicht von der Welt die einzig richtige sei. Konstruktive Kritik anzunehmen fiel vielen nach wie vor schwer und Angriffe auf Andersdenkende waren an der Tagesordnung. Auch NEXT TRYer lechzten weiter nach dem Füllen der nach jahrelanger Betäubung durch materialistische Erziehung und unreflektiertem Konsum entstandenen inneren Leere. Und so suchten auch sie weiter nach Bestätigung im Äußeren, statt diese in sich selbst zu finden. Gerade aus der Tierrechtsbewegung stammten viele verletzte Egos, die es zwar gut meinten, jedoch durch Übereifer vieles vom Aufgebauten wieder einrissen.
Der Kampf zerrissener Egos wucherte, je mehr Macht NEXT TRY bekam. Die Einigung hinter edlen Gedanken, das Zurückstecken der persönlichen Belange hielt nur einige Jahre. Und am Ende zerriss dieser innere Konflikt die ganze Bewegung. So glauben wir, ist es geschehen.
Ob es wirklich so war, bzw. so kommen wird, vermag ich aus dem Jahr 2012 heraus noch nicht zu sagen. Ich muss zugeben, dass die Menschen dieser Zeit mir inzwischen ans Herz gewachsen sind. Auch die innerlich zerrissenen und verletzten, auch die, die ihrem Unmut laut Luft machen, selbst wenn sie damit das Gegenteil von dem erreichen, was sie erreichen wollen. Was ich an dieser Zeit so liebe ist die faszinierende Stimmung. Die Euphorie, der Enthusiasmus, die Verletzbarkeit, die ganzen echten und offenen Gefühle. Diese Augen, die Blicke, der Sanftmut, der urplötzlich umschlagen und einen forttragen kann mit seinem Feuer. Und die Hoffnungen und die aus der Sehnsucht erwachenden Ideen. Dieser noch gärende Sud, der beinahe tagtäglich neue Blüten treibt und es schafft, einen rasend schnell zu erfassen, mitzureißen und auch wieder niederzuwerfen.
Inhalte
In den Jahren nach der Gründung kristallisierten sich in NEXT TRY Grundsätze heraus, die als Grundlage für eine neue Gesellschaft dienen sollten. Ich möchte an dieser Stelle einige der bedeutendsten Thesen nennen, die für uns heute im Jahr 2200 selbstverständlich klingen, damals für viele aber noch fremd und utopisch waren.
Das Erstaunliche ist, dass die meisten Menschen eine auf diesen Thesen bauende Welt grundsätzlich für wünschenswert hielten, diese aber dennoch als unerreichbar abtaten. NEXT TRY wollte damit brechen. Denn warum sollte etwas unverwirklichbar sein, wenn doch der große Teil der Menschheit sich dies erträumte? Dieses Paradox aufzuheben war einer der großen Kraftquellen der Bewegung. Es muss sich durchsetzen, was tief im Inneren der Menschen heranreift. Nur so kann eine gesunde gesellschaftliche Entwicklung gelingen.
Hier ein Auszug der Thesen:
Schaffung des Bewusstseins dafür, dass der materielle Wohlstand der westlichen Welt zum großen Teil nicht verdient ist sondern auf Diebstahl an der Natur, insbesondere an den Tieren sowie an Menschen ärmerer Länder und kommenden Generationen beruht.
Beendigung jeglicher Subvention von Produkten, die Diebstahl an der Natur und an Menschen begehen. Im Preis der Produkte müssen sich die Kosten wiederfinden, die tatsächlich verursacht werden.
Schaffung des Bewusstseins dafür, dass die öffentliche Meinung in unserer Gesellschaft erheblich vom Profitgedanken gelenkt ist. Der Gesellschaft muss die Macht genommen werden, sich kritiklos konsumierende Menschen heranzuziehen. Sie darf Menschen nicht länger dazu missbrauchen, ein marodes Systems zu erhalten.
Schaffung des Bewusstseins dafür, dass Geld verstofflichte menschliche Beziehungen repräsentiert. Unterbindung von Finanzaktionen, die einen verantwortungsvollen Umgang mit den damit verbundenen Konsequenzen für die Menschen missachten. Mensch und Natur müssen im Zentrum jeglicher Aktivitäten stehen. Geld darf dagegen nur als Hilfsmittel dienen.
Abschaffung jeglicher Form von Meinungskontrolle, um die natürliche geistige Entwicklung der Gesellschaft zu ermöglichen.
Schaffung des Bewusstseins dafür, dass Abkehr vom über die Grundbedürfnisse hinaus gehenden Konsum keine Einschränkung bedeutet und der dadurch entstehende Raum kein Defizit ist sondern Freiraum für geistige Fortentwicklung bietet.
Schaffung des Bewusstseins dafür, dass der Leistungsgedanke der westlichen Zivilisation nur dem materiellen Wachstum dient und einer gesunden geistigen Entwicklung im Wege steht. Schaffung von Freiräumen für Selbstverwirklichung durch Abwertung aller nutzlosen gesellschaftlichen Zwänge.
NEXT TRY will ein Schiff in die Zukunft bauen. Doch wir werden dafür keine Aufgaben verteilen. Vielmehr werden wir die bereits in den Menschen lodernde Sehnsucht nach dem Meer befreien (nach Saint-Exupéry).
Nachdem die Thesen veröffentlich waren, wurden vor allem die Medien vorgeschickt, um sie aufs Heftigste anzugreifen. Zunächst wurde NEXT TRY mit dem üblichen Spott betrachtet. Worte wie Extremisten, Träumer, Verschwörungstheorie, krude, Sozialismus und Utopie waren häufig benutzte Worte. Nachdem die sich gut organisierende Bewegung aber einfach nicht mehr klein geredet werden konnte, schaltete sich auch die Politik mit absurden Gerichtsverfahren gegen deren Mitglieder sowie mit Verboten ein, die nur die Hilflosigkeit der Staatsorgane offenbarten. Dadurch wurde jedoch nur erreicht, dass die Thesen noch stärker von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und da wirken konnten, wo sie auf fruchtbaren Boden fielen: in der tief im Inneren der Menschen sitzenden Sehnsucht nach Frieden und Freiheit. Bald glaubten die meisten Menschen den öffentlichen Verleumdungen nicht mehr. Bald verstanden sie, dass die von NEXT TRY beschriebene Welt keine Utopie sein muss. Bald verstanden sie, dass sie selbst es waren, die diese Welt zu errichten vermochten. Bald wussten sie: Wenn wir viele sind, müssen wir es nur noch wollen.
Was wäre wenn?
Was wäre geschehen, wenn NEXT TRY durchgehalten hätte? Hätte es Zero un gegeben? Hätte es mich gegeben? Könnte ich heute von den Menschen der Vergangenheit berichten?
Manchmal überlege ich: Was wäre geschehen, wenn die sich nach Veränderung sehnenden Menschen sich nicht in neuen Zwängen verloren hätten? Was wäre, wenn die Menschen parallel zu ihrem Erwachen aus dem Konsumirrtum und der daraus folgenden Abkehr zum Beispiel vom Tierkonsum auch zu sich selbst gefunden hätten? Wenn sie Frieden und Gleichgewicht in sich selbst gefunden und dazu nicht unbewusst die Bewegung benutzt und ihr dadurch viel Kraft geraubt hätten? Wenn sie die Thesen wirklich verinnerlicht hätten?
Was wäre geschehen, wenn NEXT TRY nicht Millionen nach Bestätigung suchender Egos vereint hätte sondern Millionen von Menschen, die in sich ruhten und mit ihrer Besonnenheit noch viel größere Kraft entwickelt hätten? Was wenn sie gewusst hätten, was wirkliche geistige Freiheit bedeutet? Daß Freiheit nicht nur bedeutet, die äußeren Fesseln zu zerreißen sondern vor allem die inneren, selbst angelegten, die ihnen von der Gesellschaft nur angeboten worden sind? Was, wenn diese für uns im Jahr 2200 selbstverständliche Befreiung des in den Menschen steckenden Selbst schon damals im ganz großen Stil um sich gegriffen hätte?
Hätte NEXT TRY dann den Untergang in Zero un verhindern können? Hätte das Schicksal von Milliarden Menschen einen anderen Lauf genommen? Werden wir es jemals erfahren?
Aber dann reiße ich mich wieder zusammen und schiebe diese Gedanken wieder von mir weg. „Alles hat seinen Sinn“, hat mein alter Geografielehrer immer gesagt. Wenn die Erdplatten sich verschieben, kommt es zu einem großen Krawall und dann türmt sich ein Gebirge auf, hihi. Und wenn es den Krawall nicht gäbe, wo sollten wir dann Ski fahren, hä?“
So ein sinnloser Spruch. Ich habe mich immer über den alten Kauz lustig gemacht. Natürlich weiß ich, dass meine Heimat, das Jahr 2200 ganz anders aussehen würde, wenn es die Katastrophen und das unermessliche Leid in Zero un nicht gegeben hätte. Aber jetzt mal ganz ehrlich: Ich hasse Skifahren.
Und jetzt wohne ich sowieso erstmal in Berlin. Im Jahr 2012. Und ich liebe diese Stadt und die Menschen. Ich liebe das Grün in den Parks und ich liebe es, den Menschen in die Gesichter zu sehen, die durch die Parks schlendern. Ich liebe die hastenden und die weilenden. Und ich liebe sogar den Geruch der U-Bahn, weil der mich daran erinnert, dass mich überall wo ich aus der Bahn steige, neue Überraschungen erwarten. Und ganz besonders liebe ich den Sex, den diese Stadt ausstrahlt. Den aufregenden. Den veganen. Es gibt keinen besseren.
Und ich glaube, dass hier irgendwo in den nächsten Monaten jenes Dokument geschrieben werden wird, das einmal den Zündfunken zum Aufbruch in eine neue Zeit liefern wird. Vielleicht bin ich einigen der couragierten Köpfe bereits begegnet, die die Initiative ergreifen und ihre Kräfte zu diesem vielversprechenden Netzwerk verknüpfen werden, das wir unter dem Namen NEXT TRY kennen und verehren? Ganz sicher bin ich aber schon unter denen vielen, die die Bewegung einmal tragen werden mit ihrer ganzen Kraft. Und wer weiß, vielleicht wird die Geschichte auch einen ganz anderen Verlauf nehmen als den, den wir aus dem Jahr 2200 kennen. Vielleicht wird es doch anders kommen. Können die Fehler vielleicht doch vermieden werden? Nichts ist unumstößlich, selbst die Vergangenheit nicht. Doch ich will mich nicht aufs Feld der Spekulation begeben.
Viel lieber will ich leben und lieben und die Dinge tun, die mein Bauch mir zuflüstert. Und schon seit langem sagt er, daß ich noch ein Weilchen hier bleiben soll. Soll das Ministerium für chronologische Angelegenheiten mich ruhig tadeln und abmahnen dafür. Ist mir egal. Es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel ein gefällter Baum im brasilianischen Urwald ...

Euer Marsili Cronberg

Donnerstag, 24. Mai 2012

Wir sind nur die Passagiere

Derzeit schreibe ich am Nachfolger von "Wie ich verlernte, Tiere zu essen". Viele Eindrücke habe ich bereits verarbeitet. Viele der Texte habe ich schon frei veröffentlicht, einige werden noch folgen. So auch dieser, der allerneueste:

Gestern weilte mal wieder im Jahr 2012. Es ist der 23. Mai. Ich bin in Berlin. Und dort hatte ich neben 400 anderen das Glück, einem der großen Helden der Menschheit zu begegnen.
Paul Watson, der Gründer der Organisation zum Schutz der Meeresbewohner Sea Shepherd, ist für mich ein größerer Held als diejenigen, die andere für Helden halten. Er ist für mich größer als Muhamed Ali oder Michael Schumacher. Er ist größer als Joanne K. Rowling, als Heidi Klum oder wie sie alle heißen, die mit ihrem Talent die Menschen zwar gut unterhalten und ihr Bankkonto groß gemacht haben, deren Heldentaten im Grunde aber nur für einen recht befristeten Impuls in der Geschichte gereichen.
In meinen Augen ist das was sie taten sogar trivial im Vergleich zu dem, was der Captain bewegt. Paul Watson ist einer der bedeutendsten Umweltschützer unserer Zeit. Mit seinem Team von Sea Shepherd hat er mehr Walen das Leben gerettet als je ein Mensch zuvor. Ebenso setzt er sich unermüdlich für den Schutz der inzwischen weltweit bedrohten Haipopulation ein. Wenn die Haie dezimiert werden, bricht das Ökosystem Meer zusammen. Die von den Haien regulierten Bestände der Planktonfresser werden sich so stark vermehren, daß das Plankton deutlich abnehmen wird. Plankton wiederum sorgt weltweit für die Hälfte der CO²-Umwandlung in Sauerstoff. Kurz gesagt: wenn die Haie sterben, wird der Klimawandel vollends außer Kontrolle geraten. Bis zu 100 Millionen Haie werden jedes Jahr getötet. Dagegen kämpft Paul Watson. Er kämpft für unsere Zukunft.
Es ist ein sonniger Tag. Auf beinahe 30 Grad klettert das Thermometer und die Bäume tauchen Berlin in ein frisches Grün. An der Siegessäule haben sich hunderte Menschen versammelt. Sie demonstrieren für Paul Watsons Freiheit, denn die ist bedroht durch einen Haftbefehl aus Costa Rica. Fischer, die er vor über zehn Jahren beim illegalen Haifischen ertappt und mit einer Wasserkanone am weiteren Haimorden gehindert hat, haben einen Haftbefehl erwirkt. Er ist ihnen ein Dorn im Auge, denn er hat mit seiner Aktion die Aufmerksamkeit der Welt auf eine große im Untergrund gewachsene Industrie gelenkt, die unter Missachtung von geltenden Gesetzen einen gewaltigen Markt mit getrockneten Haiflossen aufgebaut hat. Sie hat ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. 25.000 Dollar für den, der ihn unschädlich macht. Obwohl Interpol den Haftbefehl aus Costa Rica für nichtig erklärt hat, ist Deutschland diesem mit preußischem Gehorsam nachgegangen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, dürfte die Sache hoffentlich längst ausgestanden und vergessen sein.
Da Paul Watson auf Kaution freigelassen wurde, ist er selbst anwesend. Er lässt den Rummel über sich ergehen, hunderte Fotos werden gemacht, er macht sie alle mit, lächelt freundlich, signiert Bücher, T-Shirts und sogar Handys. Er wirkt wie ein Popstar in diesem Moment.
Und dann hält er eine Ansprache und ich möchte an dieser Stelle einige seiner Worte zitieren. Worte mit ungeheurer Kraft:
Wir leben auf einem Raumschiff
Es treibt durch den Kosmos mit allem was darauf lebt.
Und wie jedes Raumschiff braucht auch unsere Erde eine Crew.
Doch nicht wir sind die Crew, wir sind nur die Passagiere.
Wir dürfen eine großartige Zeit haben und uns hier gut unterhalten.
Die Crew dagegen ist die uns umgebende Natur. Es sind die Fische, die Bäume, die Pflanzen und alle Kreaturen, von denen wir Menschen abhängig sind. Und wir dürfen die Crew nicht töten, wenn wir überleben wollen.
In den USA bin ich einmal kritisiert worden weil ich sagte: „Würmer sind wichtiger als Menschen“. Mir wurde entgegnet: „Wie kannst du nur so einen Quatsch reden, Würmer wären wichtiger als Menschen.“ Und meine Antwort war: „Weil Würmer wichtiger als Menschen sind.“
Der Grund ist der: Würmer können auf der Erde leben ohne Menschen. Die Menschen können aber nicht ohne die Würmer leben.
Wir brauchen Würmer, sie brauchen uns nicht.
Wir brauchen Fische, sie brauchen uns nicht.
Wir brauchen Bäume, sie brauchen uns nicht.
Wir brauchen die Natur, um zu überleben.
Die Natur braucht uns nicht für ihr Überleben.
Wir müssen die Crew beschützen auf dem Raumschiff Erde.

Paul Watson wird für seine Taten gehasst. Er hat illegal agierenden Wilderern auf den Meeren, ja ganzen Walfangflotten, schwere materielle Schäden zugefügt und so dafür gesorgt, daß unzählige Meeresbewohner ihrer Tötung entgehen konnten. Er hat dafür gesorgt, daß der Fokus der Öffentlichkeit auf die illegalen Methoden fiel und diese damit ausleuchtete. Die, die ihn hassen sehen in ihm nun den, der ihre Lebensgrundlage zerstört. Doch was ist eine Lebensgrundlage wert, für die ein ganzes Ökosystem ins Wanken gerät, für die so schwerer Schaden an der Natur angerichtet wird, daß davon gar das Wohl aller Menschen auf dem Planeten bedroht wird?
Nach der Demonstration lehnt Paul Watson an einer Steinmauer. Die Sonne strahlt durch die Bäume und wirft ein wunderschönes Licht auf die um ihn Versammelten. Alle strahlen, wirken froh, optimistisch. Es ist wieder ein Zeichen gesetzt worden, wieder ein Zeichen, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Kampfes gegen den Raubbau an der Natur lenken wird.
Paul wirkt ein wenig verlegen. So viel Rummel um ihn. Er wirkt müde, auch wenn er sich alle Mühe gibt, seine Erschöpfung zu verbergen. Gleich muss er wieder los, nach Frankfurt, er muss sich derzeit zwei Mal am Tag bei der Polizei melden. In seiner Ansprache erwähnte er, daß die Beamten sich bei ihm entschuldigten, ihren Anordnungen Folge leisten zu müssen. Es fällt ihnen sichtlich schwer, Befehle einer demokratischen Regierung ausführen zu müssen, die sich so offensichtlich gegen das Menschenwohl richten wie dieser.
Später laufe ich ganz allein durch Berlin. Ich beobachte die schwitzenden Menschen, die durch die Straßen hetzen, tauche in das Gewimmel am Alexanderplatz ein und finde schließlich bei einem Italiener am Kollwitzplatz einen gemütlichen Tisch unter sattem Grün.
Es fällt mir auf einmal schwer, ins normale Leben zurückzufinden. Es fällt mir auf einmal schwer, die Bedeutung der menschlichen Belange zu akzeptieren oder die der täglichen Amüsements, mit denen wir uns Tag für Tag berieseln lassen. Oder betäuben lassen. Ja, das ist für mich in diesem Moment wohl das richtige Wort: mit denen wir uns betäuben lassen.
Kurzweil, Gaumenkitzel, Sonnebrillen und tolle Klamotten. Die tägliche Serie in der Glotze nicht verpassen, auf den Nachbarn schimpfen, der wieder den Müll nicht getrennt hat oder auf irgendjemand anderen, der gerade im Weg steht und ein schönes Ziel für unseren Minderwertigkeitskomplex abgibt. Und ist es schön sauber zu Hause? Ist der Rasen ordentlich gemäht? Der Urlaub auch nicht zu teuer gebucht? Und das Auto, um Himmels Willen das Auto hat einen Kratzer. Armselig.
Was für ein Vergleich zu den gewaltige Kratzern, die Captain Paul Watson an seinem Schiff in Kauf nimmt, wenn er die illegalen Walfangschiffe rammt und so daran hindert, weiter Wale zu töten.
Wenn ich jetzt ein Schiff hätte, dann würde auch ich sofort auslaufen und es ihm gleich tun. Ich würde in den Kampf ziehen. Ich würde Wilderer jagen. Sofort. Das heißt natürlich, erst nach dem ich meine leckeren Spaghetti Aglio Olio hier beim Italiener mit dem schattigen Plätzchen auf dem Kollwitzplatz aufgegessen habe.
Paul Watson weckt Phantasien. Er setzt sich über Konventionen hinweg, nimmt das Gesetz in die eigene Hand, weil die verantwortlichen Staaten nichts für deren Einhaltung unternehmen. Er ist wie ein Superheld, wie Batman oder Spiderman, nur in real. Und er wird weltweit gefeiert dafür, gar mit Auszeichnungen überhäuft. Das Time Magazin wählte ihn zu einem der 20 größten Helden des Umweltschutzes, der Guardian führt ihn in seiner Liste der 50 Personen, die den Planeten retten können.
Als ich später weiter durch die Straßen laufe, wird mein Kopf wieder klarer. Mein Platz ist nicht auf den Meeren. Mir wird ja schon angst und bange, wenn ein paar kleine Mittelmeerwellen meine allsommerliche Fähre nach Sardinien leicht schaukeln lassen.
Paul Watson ist ein Phänomen, keine Frage. Aber er ist nicht kopierbar. Er ist ein Unikat. Seine Botschaft dagegen ist es, die allgemeingültig ist, die jeden erreichen kann. Die jeden erreichen sollte.
„Wir sind nur die Passagiere auf diesem Planeten“, hat er gesagt da im Schatten der Bäume an der Siegessäule in Berlin und die schwarzen Sea Shepherd-Fahnen mit dem Totenkopf und dem Enterhaken wehten dazu im Wind und über den Menschen, die gebannt seinen Worten lauschten: „und wenn wir die Crew töten, die Natur, dann töten wir letzten Endes uns selbst.“
Der Enterhaken ist Paul Watsons höchsteigenes Werkzeug. Als ich zu Hause ankomme und noch einmal sein in mein eigenes Buch gesetztes Signum betrachte –mein allererstes Autogramm-, wurde mir auf einmal klar: mein Werkzeug ist ganz sicher nicht der Enterhaken. Es sind vielmehr genau jene Worte, die ich in der Lage bin zu schreiben.
So herausragende Menschen wie Paul Watson gestatten dagegen, uns zu orientieren, das Ganze zu sehen. Sie zeigen uns eine Richtung. Und sie vermögen es, Feuer in uns zu entfachen.
Jeder von uns hat seinen eigenen Platz in der Welt. Jeder von uns hat seine eigenen Fähigkeiten, seine ganz spezielle Begeisterung, jeder ist ein Unikat.
Es kommt nicht darauf an, jemanden zu kopieren. Es kommt nicht darauf an, so wie jemand sein zu wollen, für den man sich begeistert. Es kommt in dieser Zeit des drohenden Kollapses unserer Lebensgrundlagen vielmehr darauf an, seine ganz eigene Kraft für die Verbreitung der Botschaft vom Erhalt des Lebens auf unserem Planeten einzusetzen.
Es kommt darauf an zu verstehen, daß genau jetzt die Zeit gekommen ist, in der es heißt, endlich den Fernseher auszuknipsen und für den Wandel der Gesellschaft weg von der Ausbeutung der Natur das zu tun, wozu man in der Lage ist.
Und dann erinnere ich mich wieder daran, daß Hunderttausende Menschen sich bereits auf diesen Weg gemacht haben. Zuerst kommt die Einsicht. Dann die Umstellung. Dann das Weitergeben der Bedeutung des Erkennens an Freunde, an Bekannte, an andere Menschen. Wie ein Lauffeuer, das entfacht wurde. Eine Bewegung des Aufwachens entsteht. Sie wird getragen von Hunderttausenden. Sie stehen an Ständen auf der Straße, um Menschen für die tierfreie Ernährung zu begeistern. Sie machen vegane Märkte auf, schreiben vegane Kochbücher, gehen auf die Straße gegen Massentierhaltung, halten Mahnwachen vor Schlachthäusern, organisieren Straßenfeste, vertreten ihren Standpunkt im Fernsehen.
Noch gibt es viele Spötter oder Verteidiger des alten Systems, die sich uns in den Weg stellen. Noch gibt es Millionen die noch immer schlafen. Noch gibt es Staaten, die Umwelthelden wie Paul Watson an den Kragen wollen. Aber das war immer schon so bei Umwälzungen in der Gesellschaft. Es gab immer schon die Kräfte, die ihre Macht gegen den Zeitgeist bewahren wollten.
Doch wir sind Menschen. Und wir wachen auf. Und wenn wir einmal aufgewacht sind, lassen wir uns nicht so einfach wieder von den Verlockungen des Konsums betäuben, auch wenn die noch immer Schlafenden das ganz und gar nicht verstehen können und sich über Tofuwürste und Hirsebällchen lustig machen und meinen, es gäbe wichtigere Dinge im Leben als Tier- und Umweltschutz und dabei verkennen, daß diese Dinge nicht mehr existieren werden, wenn die Lebensgrundlagen zerstört sind.
Wir haben große Fähigkeiten. Wer aufgewacht ist, beginnt sie zu spüren. Wir tragen ungeheure Liebe in uns. Ungeheure Liebe für die Natur, für das Leben. Wir sind zu ungeheuren Leistungen fähig.
Und wer das verstanden hat, begreift auch wie wichtig es ist, Demut zu lernen. So wie Paul Watson, als er sagt: "Es geht nicht um mich. Es geht um die Bewohner der Meere. Es geht um unsere Natur."
Denn letztlich wir sind nur die Passagiere. Wir tun es für uns.
Marsili Cronberg

Montag, 21. Mai 2012

Ordnung muss sein - Zur Festnahme von Paul Watson


Ich habe kürzlich eine seltsame Nachricht in meinem Archiv gefunden. Sie stammt aus dem Jahr 2012 und dreht sich um die Festnahme des Umwelthelden Paul Watson, den wir unter anderem als Namensgebers des Paul Watson Parks kennen, dem größten Naturschutzgebiet der Erde, das sich von Südamerika bis ins südliche Nordamerika erstreckt. 

                                          (Bildquelle: http://www.globalanimal.org)

Paul ist für uns heute eine Legende, der Paul Watson Preis gehört zu den höchsten Ehrungen, die ein Mensch überhaupt erhalten kann. Doch früher schien das irgendwie nicht so zu sein. Ich bin auf eine Nachricht gestoßen, nach der Paul Watson im Jahr 2012 in Deutschland inhaftiert wurde. Unglaublich. Das muss ein Irrtum sein. Oder ist es doch nur Satire? Der Wortlaut deutet darauf hin. Ich glaub, das kann alles nur ein Irrtum sein. Aber lest selbst:

Ordnung muss sein, liebe Leut!
 
Wo kämen wir denn sonst hin? Gesetzte und Abkommen sind dazu da, befolgt zu werden. Und dazu gehören nun mal auch Auslieferungsabkommen und es ist völlig gleich, wenn diese mit einem windigen Bananenstaat getroffen wurden.


Deshalb ist es völlig legitim, daß mit Paul Watson ein Mann in unserer geliebten Bundesrepublik festgenommen wurde, der vor … ähm… na irgendwann jedenfalls in der weltweit anerkannten und hochgeschätzten Bananenrepublik … äh … na … Insel oder so Costa Rica das schwere Verbrechen begangen hat, eine Hand voll Haimörder daran gehindert zu haben, hunderten Haien die Schwanzflosse abzuschneiden. Er tat dies durch die widerwärtige und äußerst gefährliche Handlung, die Haimörder mit einer Wasserkanone so doll nass zu spritzen, daß diese ihrer Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß nachgehen konnten.


Um diese schwere Untat zu sühnen, hat das weltweit anerkannte und hochgeschätzte … na … dieses Land da unten … jedenfalls hat da unten irgendwo ein Provinzgericht gemeint, daß das ja nicht so geht und einen Haftbefehl erlassen.


Die Bundesrepublik MUSS nun folgen, was das kleine lokale Gericht in diesem … äh … Land? … na jedenfalls in diesem Staat da in Mittelamerika, der Wiege der Demokratie und öffentlichen Ordnung, beschließt. Und die Bundesrepublik Preussen darf dabei auch nicht hinterfragen, ob dieser Haftbefehl überhaupt rechtens ist. Schließlich steht dies schwarz auf weiß auf dem Papier. Und was schwarz auf weiß auf dem Papier steht, muss in Teutschland befolgt werden! Und die Untertanen … äh … na … Leute haben sich nicht darüber zu echauffieren!


Tierschützer können nicht einfach machen, was sie wollen. Der Staat sorgt für Tier- und Umweltschutz, und zwar so wie es schwarz auf weiß auf dem Papier steht. Und seine Bürger haben zu gehorchen!


Aber jetzt mal Ernst beiseite. Sie können der Weisheit unserer Regierung doch vertrauen. Sie macht schon das richtige. Sehen Sie doch mal: in vielen Jahren werden unsere Heldentaten für den Umweltschutz besungen werden. Es wird Lieder geben über die Abwrackprämie und die Energiegiftspar … Spargiftlampen .. na … Giftsparenergielampen oder so. Die Menschen werden sich ergriffen an die großen Opfer erinnern, die wir in unserer Zeit für sie, für den Planeten, für die Umwelt, für die Tiere gebracht haben: Wir trennen den Müll. Manchmal essen wir sogar Gemüse. Wir haben ein Tierschutzgesetz erlassen. Irgendwann werden wir sogar dafür sorgen, daß es auch umgesetzt wird. Wir schützen die Umwelt. Alles wird grün. Vertrauen Sie Ihrer Regierung. Wir haben schon ganz viel grün in unseren Präsentationen verwendet.


Natürlich mag es im ersten Moment befremdlich klingen, daß jährlich 38 Millionen Haien die Flossen abgeschnitten und sie so qualvoll getötet werden. Doch wir in der Bundesregierung haben uns sehr viel Mühe gegeben. Wir haben tagelang Aktenordner gewälzt und siehe da: nirgendwo findet sich ein Beleg dafür, daß dieses Shark Finning gegen Recht verstößt. Also vertrauen Sie uns: Haimorden ist legitim. Spezialisten befürchten nun, daß deswegen noch in diesem Jahrzehnt die weltweite Haipopulation kollabieren wird, jedoch haben wir auch dafür in unseren Akten keinen Beleg gefunden. Und wir haben wirklich lange gesucht. So wichtig ist uns die Umwelt, das können Sie ruhig glauben.


Andererseits ist es bei allem von uns so leidenschaftlich betriebenen Umweltschutz auch wichtig, daß menschliche Traditionen wie die so beliebte Haifischflossensuppe bewahrt bleiben. Außerdem dürfen Arbeitsplätze nicht gefährdet werden und sei es auch der Arbeitsplatz eines Haimörders.


Nein, deshalb ist es wichtig, daß Umweltschützer, die angebliche Umweltsünder mit Wasser bespritzen, hinter Schloss und Riegel landen. Denn DAS, liebe Leute, DAS steht auf dem Papier, daß man das nicht machen darf!!! Und sei es auch aufgekritzelt von einem noch so kleinen muffigen Lokalgericht aus einer fernen Insel. Die Bundesrepublik Deutschland MUSS es befolgen!!! Denn für unsere Pflichtbewusstheit –mag sie anderen Ländern noch so wunderlich vorkommen- sind wir schließlich weltberühmt!!! Ohne diese Pflichtbewusstheit hätten wir nicht so viel bewegt im vergangenen Jahrhundert!!! Und unserem Ruf sind wir verpflichtet!!!


Denken Sie daran, wenn Sie das nächste mal meinen, es sei nicht in Ordnung, wenn in unserem Land Umweltaktivisten wie Paul Watson daran gehindert werden, die Umwelt zu schützen!!


Die Ordnung steht in unserem Land an erster Stelle. Dann erst kommt das Leben!!! Und jetzt hören Sie auf mit Ihrem Gezeter und widmen sich gefälligst wieder dem Konsum, denn dafür werden Sie schließlich von uns gehalten!!!
 

Hahaha! Sicher ein Beitrag einer Satiresendung. Ich denke nicht, daß sie einen wahren Kern hat, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß die damalige Bundesrepublik so dumm gewesen ist, diesen Umwelthelden festzunehmen. Sie hätte sich weltweit der Lächerlichkeit Preis gegeben. Na egal, ich find den Artikel lustig. Spaß muss auchmal sein.

Euer Marsili

Freitag, 30. Dezember 2011

Unsere Illusion von Frieden

Bevor wir nach 3 wundervollen Tagen auf Hof Butenland wieder nach Hause fahren wollten, suchte ich zuerst unser Auto ab. Die Räder. Jan meinte, dass die Hühner an den Autorädern gern Eier ablegen würden und tatsächlich fand ich ein kleines Gelege unter dem Vorderrad.

„Diese Eier könnte man doch aber essen, oder?“ rief ich Karin zu, die noch am Tor stand, „das sind doch nun wirklich Eier von glücklichen Hühnern.“

Karin schüttelte den Kopf. „Das sind keine glücklichen Hühner, Marsili.“ Als ich sie fragend ansah, seufzte Karin und machte eine ausladende Handbewegung: „stell Dir mal vor, diese Hühner legen jeden Tag Eier. Was meinst Du, wie oft Hühner natürlicherweise Eier legen?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Einmal im Jahr. So wie alle anderen Vögel auch. Das hier …“ und dann zeigte sie auf ein Huhn, das gerade leise gackernd um die Ecke bog „… das hier sind keine glücklichen Hühner, glaub mir. Das sind hochgezüchtete Legemaschinen.“

Solche Aha-Momente haben mich durch ein mich bewegendes Jahr 2011 begleitet. Unsere ganze Realität ist ein selbstgebautes Konstrukt, das wurde mir bewusst. Hühner legen jeden Tag ein Ei und Sonntags auch mal zwei, wie es in einem alten Schlager so schön heißt. Und die Eier sind natürlich für uns. Für was denn sonst? 

Wir leben in unserem gemalten Kosmos bequem wie in einem warmen gemütlichen Häuschen und definieren die Welt mit unseren Begriffen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wir haben nur unsere Sinne, unsere Augen, unsere Ohren, unser Gehirn. Mit diesen Organen nehmen wir ein paar Informationen auf, eine winzige Messerspitze voll mit Daten, Gefühlen, Eindrücken und schustern damit unser Weltbild zusammen. Hühner sind zum Eierlegen da. Nie hinterfragt ...

Man könnte es als Arroganz bezeichnen, unsere Wahrnehmung als das echte Abbild der Realität anzunehmen. Doch im Grunde macht das jedes Lebewesen so. Wenn ein Wildschwein die Macht über die Welt hätte, würde es die Welt umgraben und zu einer riesigen Schlammsule machen.

Das Gefährliche, das wirklich Gefährliche an uns Menschen ist unsere Stärke. Keine höhere Macht ist da, die uns daran hindert, uns die Welt Untertan zu machen, eine Tierart nach der anderen auszurotten, die in Äonen gewachsenen wunderschönen Regenwälder abzuholzen, die Meere auszuräubern, die unglaubliche Schönheit des Planeten zu zerstören. Es ist niemand da, der uns in die Schranken weisen kann. Und das lässt uns glauben, dass wir im Recht sind. Das lässt uns den Glauben: „Alles ist in Ordnung.“

Ich habe in diesem Jahr viele Menschen kennen gelernt, die begonnen haben, unsere Realität zu hinterfragen. Es ist schwer, die Schleier zu heben. Es ist schwer, die ungeschminkte Realität zu erkennen, sie richtig zu deuten. Es ist verbunden mit Schmerz, mit Rückschlägen. Oft hindert Übereifer, ein zu dickes Ego, oft vergessen einige, dass ihr Abbild von der Welt auch nur ein zusammengeschraubtes ist. Heiße Herzen können auch verletzen, auch untereinander. Immerhin kämpfen sie gegen ein gewaltiges Monster, das in uns allen steckt, das seit Jahrhunderten ungehindert wachsen und wuchern konnte. Es ist die Illusion, dass das Recht des Stärkeren über den Schwächeren, mit dem wir uns die Welt zurechtbiegen, ein moralisches Recht ist. Dieser fatale Glaube an unsere hohe Moralität liefert die Legitimation für die Zerstörung der Natur und der Lebensgrundlagen der uns folgenden Generationen. Wir glauben, dass wir moralisch handeln. Ein gewaltiger, vielleicht der gewaltigste Irrtum, der jemals auf diesem Planeten sein Unwesen getrieben hat. Dieser Irrglaube macht uns so gefährlich wie ein auf die Erde zurasender Komet.

Das Huhn. Ich habe mich geschämt in diesem Moment, in dem mir wieder ein Stück mehr aufgegangen ist, was wir Menschen angerichtet haben. Eine ganze Tierart wurde aus dem Zyklus des natürlichen Lebens herausgerissen, wurde umgestülpt, abgerichtet auf die Bedürfnisse der Menschen. Und das ohne jede Rücksicht. Das Huhn wurde zu einem Produkt. Es gibt Patente auf Turbohühner. Es gibt Kongresse, Messen, wo die neuesten Produkte vorgestellt werden. „Das Huhn der Produktlinie XY-0815 hier legt noch ein Ei in der Woche mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren!“ Und bei Wikipedia wird die Menge der genutzten Hühner in Tonnen angegeben. Nicht in Stückzahl.

Quelle: www.photomakers.org


Ich unterhielt mich vor einigen Tagen mit Dieter, einem Pensionär, der in seiner Tätigkeit als Fachmann für medizinische Instrumente Einblick in Forschungsstätten hatte. Er erzählte mir, wie ihn noch immer die Bilder quälen von Tieren, die in Tierversuchen misshandelt werden. Affen mit Drähten am offenen Kopf und gewaltvoll offengehaltenen Augenlidern, Beagels, an denen Reizgas getestet wurde. Die meisten Versuche dienten militärischen Zwecken, meinte er.

Und wenn Menschen diese Grausamkeiten aufdecken und anprangern, bekommen sie es mit der Gewalt der Staatsmacht zu tun. Karin Mück von Hof Butenland kann ein Lied davon singen… Menschen wie sie decken Illusionen auf. Und genau deshalb werden sie vom großen Illusionator Staat für gefährlich gehalten und bekämpft.

Dabei ist in unserer Zeit das Edelste was ich mir vorstellen kann, die Menschheit von den gefährlichen Illusionen zu befreien. Wir sind nicht friedlich. Frieden steckt zweifellos als großer Wunsch in den Menschen. Mehr als ein Wunsch ist es aber noch nicht. „Aber da draußen ist doch Frieden!“ werden einige sich verteidigen. Jahaa, da ist Frieden, aber er gilt nur einer kleinen Handvoll, er gilt nur den Starken. Schon innerhalb der eigenen Rasse sind die Grenzen gezogen. Ganze Länder versinken in Kriegen.

Wir hier haben Frieden. Nur für uns. Schon ein paar hundert Meter weiter werden die ersten Tiere in Ställen gehalten. Für sie gilt der Frieden nicht bzw. nur so lange, bis sie schlachtreif sind. Schon ein paar Kilometer weiter stehen riesige Masthallen, ein paar Tausend Kilometer weiter werden je Minute bis zu 30 Hektar Regenwald abgeholzt. Ein paar Tausend Kilometer weiter fallen Bomben auf Schwache, deren Lebensgrundlage durch die hemmungslose Ausbeutung durch die reichen Länder des Westens zerstört ist und die sich nicht mehr anders zu helfen wissen als durch Gegengewalt. In Somalia sollen die bösen Piraten nun auch an Land bekämpft werden. Es sind einstige Fischer, deren Lebensgrundlagen durch ungezügelten Wildfang europäischer Fangflotten zerstört wurden.

Unsere Illusion von Frieden. Vor einigen Jahren ist das mit großem Abstand gewaltvollste Jahrhundert zu Ende gegangen. Das Jahrhundert ist zu Ende, die Gewalt ist es nicht. Sie hat sich nur verlagert und wurde aus unserer Wahrnehmung gedrängt. Wir haben noch immer Blut an den Händen. Es fließt nur nicht mehr vor unseren Augen.

Unser Frieden. Er wird mit Gewalt genährt. Er nährt sich von Milliarden Toten, von unfassbarer Umweltzerstörung, er hinterlässt einen unglaublich hohen Berg an Schuld. Unser Frieden ist ein Monster, das vor uns -vor seinem Ernährer- ein freundliches Gesicht macht. Doch er ist hässlich, so unglaublich hässlich. Dessen müssen wir uns bewusst werden. Dies müssen wir ins Bewusstsein der Menschen rufen, die im Grunde ihres Herzens unschuldig sind, die Frieden wollen und mit ihrem Lebenswandel das Monster unbewusst weiter füttern. Wir müssen die Hintergründe des angeblichen Friedens entlarven, auch wenn uns dabei Wind ins Gesicht bläst. Wir müssen die Schleier der Illusion niederreißen, die ganze glitzernde Medien- und Werbewelt, die Rechtfertigungen, die Gewalt schon immer begleitet haben, wir müssen allen erzählen, dass ein Huhn niemals jeden Tag ein Ei legen würde, wenn wir es nicht zu diesem bedauernswerten Geschöpf herangezüchtet hätten.

Das Gute ist in den Menschen. Ich glaube daran. Die Schale ist hart, nicht der Kern. Wir müssen das Gute erwecken, es hat eine ungeheure Kraft. Es ist eine gewaltige Aufgabe, vor der wir stehen. Es ist DIE Aufgabe unserer Zeit.

Ich weiß, dass es gelingen wird, denn ich muss im Jahr 2200 nur in Geschichtsbücher sehen. Und deshalb weiß ich auch, dass die Zeit gekommen ist, in der die Stimmen so laut werden, dass sie endlich ernst genommen werden.

Es ist das Jahr 2012. Es ist das Jahr, in dem die drängende Notwendigkeit des Niederreißens der Illusion das Bewusstsein der Massen erreichte. Es ist das Jahr, in dem das Ruder in die Richtung gerissen wurde, in der die Menschheit noch eine Zukunft haben kann und ich hier im Jahr 2200 noch in der Lage bin, über vergangene Ereignisse zu berichten.

Marsili Cronberg

Wer mehr von mir lesen will:
hier gibts "Wie ich verlernte, Tiere zu essen"

Dienstag, 29. März 2011

Mechanismen einer entfesselten Wirtschaft - Werbung

Hallo liebe Freunde. Nach einer längeren Pause geht es nun endlich weiter mit Nachrichten aus der Zukunft. Gleich zu Beginn möchte ich auch den Grund für die Pause liefern: es ist ein Buch, das ich gerade für einem renommierten Verlag schreibe und das in 2 Monaten, also etwa Anfang Juni 2011 eurer Zeitrechnung erscheinen wird. Ich bin also immer noch recht fleißig.

Nun aber zu einem neuen Thema in den Nachrichten aus der Zukunft. In der letzten Woche verstarb Gregor Katzenmacher, der mit seiner Enzyklopädie zur Weltgeschichte einen unschätzbaren Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte vor Big Zero leistete. Natürlich kann ich hier keine ganzen Buchbeiträge präsentieren, aber ich habe im Wissenschaftsmagazin „The World Diary“ aus dem Jahr 2176 ein schönes Interview mit ihm gefunden. Es widmet sich der geistigen Beeinflussung von Menschen durch Werbung und Medien und die fatalen Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten und zieht am Ende den Bogen sogar hin zu den Zerstörungen in Big Zero im Jahr 2052. Hier ist es:

The World Diary:
Dipl. phil. Gregor Katzenmacher, in Ihrer Reihe über die Mechanismen der entfesselten Wirtschaft um die Jahrtausendwende haben Sie einen weiteren Band veröffentlicht, der sich ganz speziell mit der Rolle der Werbung beschäftigt. Sie schließen Ihre Ausführungen mir der Befürchtung, daß die Gefahren der Werbung heute allgemein unterschätzt werden, weil deren Folgen für die Welt allmählich in Vergessenheit geraten. Sind Sie ein Pessimist?

Gregor Katzenmacher:
Nein. Ich bin kein Pessimist. Ich bitte Sie, meine Schlussfolgerungen entsprechend zu bewerten. Ich halte unser Kontrollsystem für Marketing für durchaus stabil und die Mitglieder der PRK (Anm.: internationale Kommission für die Zulassung von Werbung) nach wie vor für integer. Gerade die gläserne Einkommensoffenlegung garantiert deren Unabhängigkeit. Und außerdem leben wir nicht mehr in einer vom Materialismus geprägten Epoche wie vor Big Zero im Jahr 2052. Damals fand man in offiziell unabhängigen Kommissionen sehr oft Vertreter, die von der Industrie bezahlt wurden. Das ist heute undenkbar.

The World Diary:
Dennoch kommen Sie zum Schluss, daß einige Werbespots nicht die Freigabe der PRK hätten bekommen dürfen.

Gregor Katzenmacher:
Ja, ich frage mich zum Beispiel, wie der Spot der Briolon-Genossenschaft freigegeben werden konnte.

The World Diary:
Sie meinen den, wo die Schmetterlinge ein Solehaus errichten.

Gregor Katzenmacher:
Schmetterlinge sind Tiere und genießen die gleichen Rechte wie andere Tiere auch.

The World Diary:
Aber es waren doch virtuelle Schmetterlinge.

Gregor Katzenmacher:
Es geht doch um die Würde der Tiere und nicht darum, ob echte Schmetterlinge im Spot benutzt wurden.

The World Diary:
Ich fand sie süß.

Gregor Katzenmacher:
Genau darum geht es doch. Viele finden Schmetterlinge jetzt süß. Und was haben die davon? Jetzt wird es wieder ein paar Spinner geben, die Schmetterlingen hinterher jagen, weil sie die süß finden. Den Schmetterlingen bringt der Ruhm gar nichts, außer Stress. Das widerspricht in meinen Augen eindeutig der Tierrechtskonvention von 2057. Es mag für Sie wie eine Kleinigkeit aussehen, ich aber sehe es in einem größeren Zusammenhang. Es geht um die schleichende Verwässerung der naturethischen Verträge von 2060. Aber vielleicht war es auch nur ein Ausrutscher.

The World Diary:
Kein normaler Mensch unserer Gesellschaft würde auf die Idee kommen, Tiere für niedere Zwecke zu missbrauchen. Verrückte gibt es natürlich immer. Kommen wir aber wieder zurück zum Thema. Sie bezeichnen die Werbung um die Jahrtausendwende als Katalysator einer unkontrollierten Wirtschaft, die schließlich zum Kollaps von Mensch und Natur führte.

Gregor Katzenmacher:
Sehen Sie, die damalige Weltwirtschaft basierte ausschließlich auf Geldmehrung. Es ging nicht darum, Nutzen zu erzeugen, es ging ausschließlich um Profit. Natürlich ist eine Industrie, die Geld mit gesellschaftlich dienlichen Gütern verdient, an sich nichts Verwerfliches. Doch um die Jahrtausendwende kam es zu einem unheilvollen Lawineneffekt, der nicht mehr gestoppt werden konnte. Die Wirtschaft begann, Industriegüter zu erzeugen, denen jeglicher Nutzen fehlte. Es ging nicht mehr darum, echte Bedürfnisse zu befriedigen, sondern nur darum, profitable Produkte abzusetzen. Damit solche sinnlosen Produkte gekauft wurden, musste die Nachfrage aber erst erzeugt werden. Was soll der Mensch mit einem Ding, das er nicht braucht. Also muss er erst dazu gebracht werden, daß er denkt, er braucht es.

The World Diary:
Und das geschah durch Werbung?

Gregor Katzenmacher:
Werbung spielte eine entscheidende Rolle. Aber Werbung war nur das für jeden sichtbare Instrument der Industrie zur künstlichen Erzeugung von Nachfrage. Da gab es viele weitere Werkzeuge, die in ihrer Rücksichtslosigkeit heute erschreckend wirken. Die Medien spielten eine wichtige Rolle, indem sie durch Propagandabeiträge die allgemeine Meinung verdrehten, um ihre Werbekunden zu schützen. Ein Beispiel dafür waren die Berichte der Verherrlichung des Fleischkonsums, in denen Ablehner von Tierkonsum der Lächerlich Preis gegeben wurden. In Werbepausen wurde dann kräftig für Fleisch geworben. Im Grunde ein durchsichtiges Spiel. Aber es wirkte fatal. Ein weiteres Werkzeug waren von der Industrie finanzierte Kommissionen und Institute, Studien und Fachbücher. Mit diesen Mitteln konnte beispielsweise das Bedürfnis nach tierisch erzeugten Lebensmitteln ins Absurde gesteigert werden. Für einige Jahrzehnte galt es gar als lebenswichtig, Fleisch zu essen und Milch zu trinken. Die Medienmacht war so groß, daß sie kranken fettleibigen Verteidigern der Tierindustriebranche in Dokumentationen Platz bot, fleischlos lebenden und völlig gesunden Menschen ungesunde Ernährung vorzuwerfen. Das ist so, als würde ein Raucher den Nichtrauchern vorwerfen, ungesund zu leben. Heute wäre das Stoff für schwarze Satire, damals war es normal. Jahrhundertealtes Wissen wurde einfach verdrängt und durch etwas total Abstraktes ersetzt, um damit die Nachfrage für gewinnträchtige Produkte zu erzeugen bzw. zu verteidigen. Und gleichzeitig beanspruchten die Menschen damals für sich, in einer fortschrittlichen Zivilisation zu leben. Für uns heute unfassbar, in welche gefährliche Sackgasse unkontrollierte Medienmacht damals steuern konnte. Ich vergleiche die Staaten, die dieses System der entfesselten Industrien duldeten, im Übrigen deshalb mit kriegerischen Staaten der vorherigen Jahrhunderte, weil durch sie der halbe Planet zerstört und Milliarden Menschen schweren Krankheiten ausgeliefert worden sind. Ein Krieg ohne Schusswaffen. Dafür leider umso mörderischer und hinterhältiger.

The World Diary:
Nun stellen Sie in Ihrem Buch „Das Perriersyndrom“ ein anschauliches Beispiel vor. Es geht um Wasser. Ein harmloses Thema, mag man meinen.

Gregor Katzenmacher:
Wenn Sie durch heute noch von Plastik verseuchte Strände waten und dabei an die vielen durch diesen Müll ausgestorbenen Vogel- und Fischarten denken, dann denken Sie anders darüber.

The World Diary:
Die Plastiküberschwemmung der Erde wird heute zu Recht als eine der größten von Menschenhand verursachten Katastrophen bezeichnet. Was hat das aber mit Wasser zu tun?

Gregor Katzenmacher:
Es geht um in Flaschen abgefülltes, sogenanntes Mineralwasser, dessen Bedarf sich in westlichen Ländern zu einer gewaltigen Blase mit verheerenden Folgen ausdehnte. Beginnen wir mal in den Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende. In Flaschen gefülltes Wasser galt zu jener Zeit als Rarität. Es wurden einige Heilwasser in Glasflaschen angeboten, aber niemand kam auf die Idee, seinen Trinkwasserbedarf mit abgefülltem Wasser zu decken. Wozu auch? Wasser aus der Leitung war billig, gehörte zu den am strengsten kontrollierten Lebensmitteln und war immer verfügbar. Die erste Marke, die für den größeren Bedarf an den Markt gebracht wurde, war Perrier-Wasser. Damals ein gewaltiges Wagnis, eine neue Geschäftsidee, die von vielen müde belächelt wurde. Durch geschickte Werbung gelang es Perrier jedoch, interessant zu werden. Bald galt es sogar als schick, Wasser aus der Flasche zu trinken. Ein neuer – leider völlig sinnfreier – Trend war geboren. Die Folgen waren dramatisch. Bald wurde der Markt mit Wasser in Flaschen geradezu überschwemmt. Für die Nachfrage sorgte das unermüdliche Werben, die Botschaft wandelte sich zudem dahingehend, daß Flaschenwasser die einzig gesunde Form der Wasserzunahme ist. Um die Jahrtausendwende war so auch die Mehrheit der Menschen davon überzeugt, nur abgefülltes Wasser entspräche einer zeitgemäßen Ernährung. Da die massenhafte Nachfrage nicht mit Glasflaschen gedeckt werden konnte, wurde zunehmend auf Abfüllung in Plastikflaschen gesetzt. Heute wissen wir, daß gerade diese Flaschen durch diverse Chemikalien verheerende gesundheitliche Folgen für die Menschen hatten. In den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts wurden viele Krankheiten mit diesen Stoffen in Verbindung gebracht. Besonders traurig war das für die Menschen, die sich anderweitig bewusst ernähren wollten, in ihre Ernährungsumstellung plastikverpackte Lebensmitteln wie eben Wasser aber nicht mit einbezogen.
Noch entsetzlicher war jedoch die Überschwemmung der Welt mit dem Plastikmüll. Drei Viertel der Flaschen wurden nicht wiederverwertet und landeten schlicht auf Müllhalden. Zudem wies das Flaschenwasser eine vernichtende Energiebilanz auf. Es wurde mit großem energetischem Aufwand abgefüllt und transportiert. Ebenso mussten die Rohstoffe für die Flaschen transportiert und mit viel Energie verarbeitet werden. In diesem Zusammenhang fällt mir ein schöner Begriff aus der alten Zeit aus Deutschland ein, der heute kaum noch bekannt ist: Schildbürgerei.

The World Diary:
Doch, ich kenne ihn. Ich hörte davon, daß die Schildbürger ein Haus ohne Fenster bauten und das Sonnenlicht in Säcken herein tragen wollten.

Gregor Katzenmacher:
Mir fällt da eher die Salzsaat ein. Die Parabel erzählt, wie die Schildbürger Salz auf ihren Feldern ausstreuten, damit es dort wachsen könne. Dabei versalzten sie natürlich ihre Böden, so daß sie schließlich unfruchtbar wurden. In diese Schublade lassen sich durchaus künstlich erzeugte Nachfragen mit verheerenden Umweltfolgen stecken. Mit einem Unterschied: bei der Salzsaat profitierte niemand. Bei künstlicher Nachfrage jedoch erwirtschafteten die Unternehmen riesige Gewinne. Doch sie waren nur kurzfristig, wie die Menschen und vor allem ihre Nachfahren leidvoll erfahren mussten.

"WASSER IST GOLD" - Wasserwerbung von ProcNes-Unilev: Werber machten sich geradezu lustig über Verbraucher, die jeden Mist für bare Münze nahmen. ProcNes-Unilev verkaufte unter dieser Werbung Milliarden Liter schnöden Leitungswassers, teuer abgefüllt in Plastikflaschen.

The World Diary:
Als besonders gravierend bezeichnen Sie die Zeit vor der einsetzenden Bewusstseinswende ab dem Jahr 2015.

Gregor Katzenmacher:
Zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2010 hat sich die Menge der verkauften Plastikflaschen mehr als verdoppelt. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Der Markt war völlig außer Kontrolle geraten, weil die Konsumenten unreflektiert zugriffen und in einem für uns rätselhaftem Ausmaß werbehörig waren, wie es sich nur mit der Religionshörigkeit der Menschen im Mittelalter vergleichen lässt. Ich nehme die Menschen des Mittelalters aber ausdrücklich in Schutz, denn ihnen standen so gut wie keine unabhängigen Informationsquellen zur Verfügung. Den späteren Menschen sehr wohl. Doch sie glaubten lieber an die bunten Hochglanzbilder als an Fakten. Ein großes Rätsel.

The World Diary:
Sie führen als weiteres Beispiel den Milchkonsum auf.

Gregor Katzenmacher:
Richtig. Der Konsum von Milch war zur Jahrtausendwende ein noch relativ neues Phänomen, keine 50 Jahre alt. Noch in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts war dies undenkbar, weil schlicht die Konservierungsmethoden fehlten. Erst mit Aufkommen der Pasteurisierung und der Kühlschränke wurde es überhaupt möglich, Milch in großen Mengen zu verkaufen. Ein gewaltiger Markt öffnete seine Türen. Innerhalb kürzester Zeit konnte der Irrglauben installiert werden, daß Milch unabkömmlich für die Gesundheit sei. Und das trotz zahlreicher Studien, die die Zusammenhänge zwischen Milchkonsum und Krankheiten wie Diabetes, Prostatakrebs oder Osteoporose nachwiesen. Selbst als diese Krankheiten mit steigendem Milchkonsum zu Volkskrankheiten wurden, während sie in Ländern ohne Milchkonsum relativ unbekannt blieben, konnte sich die Politik nicht durchringen, etwas zu unternehmen. Das gewachsene Geflecht aus Werbung, industriefinanzierten Gesundheitskommissionen mit kruden Empfehlungen und weiteren perfiden Installationen der Milchwirtschaft war einfach zu mächtig. Jeglicher keimender Widerstand wurde von vornherein aus dem Weg geräumt und so der fruchtbare Boden für eine gewinnträchtige aber leider gesundheitlich verheerende Marktentwicklung bestellt.

The World Diary:
Die Geschichte ist voller Beispiele, in der durch gezielte Werbung mitweltschädliche Produkte verkauft werden konnten. Der Anhang zu Ihrem Buch macht beinahe die Hälfte des gesamten Umfanges aus.

Gregor Katzenmacher:
Nehmen wir einfach mal die damalige Gesundheitsbranche, die man eigentlich Krankheitsbranche nennen müsste. Ihr gelang es damals, Krankheitsbilder zu malen, die noch Jahre zuvor undenkbar waren. Wir wissen heute, daß Krankheiten wie leichte Infektionen wichtig für unser Immunsystem und ganz normal sind. Damals jedoch sah die Pharmaindustrie in jedem noch so kleinen menschlichen Zipperlein eine Marktchance für neue Medikamente. Aus Gesunden wurden Kranke gemacht, einfach dadurch daß man ihnen suggerierte, daß etwas nicht mit ihnen stimmte.

The World Diary:
In unserem Gedächtnis sind aber weit gefährlichere Machenschaften der Pharmaindustrie.

Gregor Katzenmacher:
Sicher, ich will das damalige Pharmakartell nicht verharmlosen und ich habe in den Anmerkungen auch entsprechende Hinweise dazu gemacht. Es ist hier nur ein Beispiel für die Wirksamkeit von Suggestion durch Werbung.

The World Diary:
Sie sind in Ihrem Buch erstaunlich kurz auf das weltweite Werbeinterdikt von 2060 und dessen Aufhebung 12 Jahre später eingegangen. Halten Sie nichts von der Untersagung von Werbung?

Gregor Katzenmacher:
Nein, ich halte in der Tat nichts davon. Werbung gehört zu unserer gesellschaftlichen Landschaft und wenn ein Unternehmen ein Produkt anbietet, dann soll ihm gestattet sein, dies zu bewerben. Die 12 Jahre des Interdikts zeigten die Fehlentwicklungen auf, die ein striktes Werbeverbot mit sich bringt. Und Werbung allein ist auch nicht die Ursache für gefährliche Verschiebungen am Markt. Dafür wurden dann auch von der NWO die 3 commandments for public relations erlassen, die seither streng überwacht werden. (Anm: im deutschsprachigen Raum kurz die 3 Werbegebote genannt).

The World Diary:
Das erste Gebot lautet: „Werbung ist nur für solche Produkte statthaft, deren Belastung der Mitwelt nachweislich geringer ist als der Nutzen. Der Nachweis ist vom Erzeuger zu erbringen.“ Mit Verlaub, aber solche vom Erzeuger erbrachte Nachweise können doch gar nicht unabhängig sein.

Gregor Katzenmacher:
Das dürfen Sie nicht aus dem Gesamtkontext reißen. Die zeitgleich mit den 3 Geboten installierte Überwachungskommission ist immer unbestechlich gewesen. Die Gründerväter haben ihr sehr viel Macht und eine kluge Verfassung gegeben, die eine Einflussnahme Dritter praktisch ausschließt. Die Verfassung wurde unmittelbar nach den Katastrophen von Big Zero erlassen, also in einer Zeit, die vom Bekenntnis geprägt ist, daß von den Menschen nie wieder Krieg gegen unsere Mitwelt ausgehen darf. Niemals hat sich in den vergangenen mehr als hundert Jahren auch nur eines ihrer Mitglieder der Bestechlichkeit verdächtig gemacht. Das habe ich der PRK im Übrigen auch nicht vorgeworfen. Mein Vorwurf ging eher an das Aufkeimen einer gewissen Sentimentalität. Das hat in den Reihen einer Kommission nichts zu suchen.

The World Diary:
Sie meinen Phantasie.

Gregor Katzenmacher:
Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber Schmetterlinge bauen nunmal kein Solehaus.

The World Diary:
Aber sie sind süß.

Gregor Katzenmacher:
Das war im Jahr 2013 ein gewisser Justin Bieber auch, bevor er nach einem Konzert in Deutschland unter einem Berg von zehntausend kreischenden Mädchen für immer spurlos verschwand.

The World Diary:
Herr Katzenmacher, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch.


Soweit das Interview.
Erinnert ihr euch auch noch an den Spruch: Von der Menschheit darf nie wieder ein Krieg gegen unsere Mitwelt ausgehen. Heute ist das selbstverständlich. Aber damals nach den Zerstörungen der Gesellschaft und des Planeten um die Jahre 2050 war es den meisten überlebenden Menschen ein großes Anliegen, daß sich die Verbrechen, die zu dieser weltweiten Zerstörung führten, nie wiederholen dürfen. Wie harmlos das Wort Werbung wirkt. Und welch teuflisches System offenbart sich, wenn man hinter die Kulissen blickt...

Euer
Marsili Cronberg